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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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bewohnte Gegenden zu erreichen.
    Er wandte den Kopf seines Pferdes wieder dem Pfad zu, der sich ein
gutes Stück vom Haus entfernt dahinschlängelte. Wo ein Pfad war, gab es Häuser,
in denen Menschen wohnten. Dort würde er seine Beute suchen.
    Er war noch nicht weit gekommen, als er plötzlich sein Pferd
zügelte. An dieser Stelle führte der Pfad an einem tiefen überwucherten Graben
vorbei, der einst die Grenze der verlassenen Plantage gewesen sein mochte.
Unten, zwischen Farnen und Schilfrohr, lag ein Bündel, dessen Farbe und Muster
ihm sehr vertraut vorkamen. Mit einem Satz sprang er von seinem Pferd, band es
an eine Palme und machte sich daran, in den Graben zu klettern. Er rutschte und
stolperte, denn die Wände waren steil, und heimtückische Dornensträucher
erwarteten ihn. Aber es gelang ihm, das Bündel zu erreichen und auseinanderzurollen.
Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse wilden Triumphs. Es war genau das,
was er erwartet hatte: das Kleid, das Neele am Tag des Mordes getragen hatte,
und ihre Unterwäsche, alles steif und fleckig von getrocknetem Blut.
    In aller Eile kletterte er wieder hinauf, verstaute das Bündel in
seiner Satteltasche und setzte seinen Weg fort. Er wusste jetzt, wo sie noch
vor Kurzem gewesen war, denn auf das Kleid war noch kein Tau gefallen. Es lag
erst seit dem frühen Vormittag hier. Sie musste ganz in der Nähe sein.

Die deutsche Kirche
    1
    N eele wanderte
beharrlich weiter nach Norden, aber ihr Schritt war schwer geworden. Sie fühlte
sich matt und hatte Bauchschmerzen. War es nur der Hunger, da sie seit dem
vergangenen Tag nicht mehr gegessen hatte als ein paar Betelnüsse? Oder wurde
sie krank? Der Schweiß lief ihr in die Augen, obwohl sie der gefährlichen
Mittagshitze sorgfältig ausgewichen war und bis gegen vier Uhr nachmittags im
Schatten des Urwalds geschlafen hatte. Sie hielt sich von den ausgetretenen
Pfaden fern und schlich am Waldrand entlang, immer bereit, ins Zwielicht unter
den mächtigen Kronen zu tauchen, sobald sie einen Menschen erblickte.
    Gegen Abend wurde ihr bewusst, dass es nicht bloßer Hunger war, der
sie plagte. Sie wurde ernsthaft krank. Sie hatte Fieber und so heftige
Kopfschmerzen, dass sie kaum noch aus den Augen sehen konnte. Die Welt flimmerte
ihr vor den Augen. Jetzt dachte sie zurück an das Pesthaus. Ihr Zustand wies
eindeutig darauf hin, dass sie sich mit Typhus angesteckt hatte, und die Quelle
war höchstwahrscheinlich das Pesthaus gewesen. Neele kannte den Verlauf der
Krankheit gut genug, um zu wissen, dass sie ohne ärztliche Hilfe kaum überleben
würde. Aber wo sollte sie hier in der Wildnis einen Arzt finden?
    Vielleicht war es das immer höher steigende Fieber, das ihr den
absurden Gedanken eingab, Ameyas Dolch um Hilfe zu bitte. Sie zog ihn aus dem
Stiefel, küsste ihn und bat ihn mit geflüsterten Worten, ihr den rechten Weg zu
zeigen – einen Weg zum Überleben. Dann warf sie ihn hoch in die Luft.
    Obwohl der Tag trübe und wolkig war, gleißte die flammenförmige
Waffe, als sie sich in der Luft überschlug. Dann fiel sie nieder. Die Spitze
zeigte querfeldein nach Nordwesten.
    Neele hob den Kris auf, dankte ihm, verstaute ihn wieder in ihrem
Stiefel und eilte in die Richtung, die sie als von einem Gottesurteil gewiesen
ansah. Sie schleppte sich in der sinkenden Dämmerung durch borstiges Gras und
verwilderte Teesträucher. Als sie schon meinte, nicht mehr weiterzukönnen,
entdeckte sie ein Licht, und dann tauchte ein lang gestrecktes weißes
Ziegelhaus mit einem Glockentürmchen an einem Ende auf. Näherkommend sah Neele,
dass an der Querwand Buchstaben aufgemalt waren: »Deutsche Kirche in Java«.
    Sie raffte ihre schwindenden Kräfte zusammen und stolperte weiter,
so rasch sie konnte. Halb blind vor Schmerzen und taumelnd vom Fieber erreichte
sie die Haustür und hämmerte mit der Faust dagegen. Dann brach sie zusammen.

2
    W as in den
nächsten zwei Wochen geschah, zog in flackernden Schattenbildern an Neele
vorbei. Sie nahm nur sehr undeutlich wahr, dass sie in einem kahlen, mit weißen
Brettern verschalten Raum auf einem Bett lag und von Zeit zu Zeit eine
dunkelhäutige Frau in blauen Kleidern kam, die ihre besudelten Bettlaken
wechselte und ihr den Schweiß vom Gesicht wischte. Manchmal kam auch eine weiße
Frau in blauen Kleidern, die sie mit Nudelsuppe und Reisbrei zu füttern
versuchte. Neele konnte

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