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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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genug für die Reise?«,
fragte der Pastor.
    Neele nickte, gab ihm aber keine Auskunft darüber, wieso sie zwar
keine Papiere, aber so viel Geld in Händen hatte. Sie sagte, sie wolle nichts
weiter als so rasch wie möglich nach Deutschland zurückkehren, da sie keinerlei
Bindungen mehr an Java habe. Gustav Froebe war anzumerken, dass er sie gerne
noch das eine oder andere gefragt hätte, aber als geübter Beichtvater hielt er
sich zurück. Er versprach ihr, sie gleich am nächsten Tag in die Stadt zu
bringen. Dann sagte er: »Im Übrigen sollten Sie wissen, dass der Herr seine
Hand schützend über Sie gehalten hat.«
    Â»Wie meinen Sie das?«, fragte sie ratlos.
    Da erzählte er ihr, dass Einheimische aus der Umgebung – die ihn
schätzten und ihm vertrauten – zu ihm gekommen waren, um ihm mitzuteilen, dass
ein Reiter allerorten nach einer verschwundenen Frau suche und ihnen deren Bild
gezeigt hatte. Und eines Tages war dieser Reiter dann vor seiner Tür gestanden
und hatte ihn in barschem Ton gefragt, ob er etwas von einer Frau wisse, die
alleine und geistesgestört durch die Wildnis irre. Der Pastor, der nicht lügen
wollte, hatte ruhig geantwortet, darüber wolle er nicht mit jedem
Dahergelaufenen reden, umso weniger, als der Reiter sich weigerte, seinen Namen
zu nennen. Daraufhin hatte dieser gedroht, ins Haus einzudringen und es zu
durchsuchen.
    Â»Ich sagte ihm, das könne er gerne tun, wenn es ihm nichts ausmache,
dass Typhuskranke im Haus seien, und dabei machte ich ihn auf den gelben Wimpel
aufmerksam, den wir vorschriftsmäßig ans Vordach gehängt hatten. Er fluchte
scheußlich, riss sein Pferd herum und ritt fort. Sie sehen also«, fuhr er fort,
»was man als etwas Böses ansehen könnte, ist Ihnen zum Guten geworden, denn
ohne die Seuche wäre er zweifellos ins Haus eingedrungen, und ich weiß nicht,
ob wir ihn hätten hindern können. Also, seien Sie dankbar.«
    Neele dankte aufrichtigen Herzens für seine Güte und verließ den
Pastor.

3
    R ichard Hagedorn
setzte seine erbitterte Suche fort. Er war tatsächlich nahe daran gewesen,
seine Kräfte mit denen des Pastors zu messen und sich gewaltsam Zugang zu
dessen Haus zu verschaffen, aber dann hatte er es doch aufgegeben. Erstens
wusste er nicht, ob es Dienerschaft gab, und zweitens hatte er Angst vor der
Seuche. Er fragte sich, wie es der Pastor überhaupt aushielt, mit Kranken im
Haus weiterzuleben, ja, sie auch noch zu pflegen. Seiner Meinung nach wurden
die Starken von selber gesund, und bei den Schwachen war es kein Schaden, wenn
sie starben. Und so überzeugt er auch davon war, zu den Starken zu gehören – sich leichtsinnig einer
Typhusinfektion aussetzen, das wollte er auch nicht. Also lenkte er sein Pferd
weg von der deutschen Kirche und suchte von Neuem die Kampongs und vereinzelt
stehenden Häuser ab.
    Dabei kam er ein zweites Mal an der verlassenen Plantage vorbei. Es
ging auf den Abend zu, und obwohl ihm das leere Haus nach wie vor unheimlich
erschien, bot es doch ein Obdach für die Nacht; das war besser, als an einem
Lagerfeuer im Dschungel zu sitzen. Er ritt also die von Unkraut überwucherte
Auffahrt entlang und verschaffte sich dann – weil die Haupttür versperrt und
mit einer Kette gesichert war – Zugang durch eine Verandatür an der Seite des
Hauses. Sein Pferd band er im Schatten eines Vordaches an.
    Er durchstöberte das Erdgeschoss, fand aber nirgends Spuren, die
darauf hingedeutet hätten, dass Menschen dagewesen wären. Hätte er aufmerksamer
geschaut, so wäre ihm aufgefallen, dass die Küche und der zur Hintertür
führende Gang bemerkenswert frei von dem Staub waren, der ansonsten im ganzen
Haus lag, aber Richard Hagedorn war kein guter Beobachter. Er war müde von dem
langen Ritt und interessierte sich nur dafür, dass es in dem Haus einen
funktionierenden Brunnen gab und mehrere bequeme Sofas. Nachdem er sein Pferd
getränkt hatte, machte er es sich in einem der Zimmer im Erdgeschoss bequem,
das einmal ein Salon gewesen war, aß aus seinem Proviantbeutel und widmete sich
dann der Flasche Whisky, die er bei einem Chinesen gekauft hatte. Vermutlich
war die Aufschrift auf dem Etikett das Einzige, was daran Whisky war; der
Inhalt schmeckte stark nach Selbstgebranntem, aber das kümmerte Richard nicht.
Er lag lang ausgestreckt auf dem Sofa, rauchte seine indischen Zigaretten

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