Im Land der Mond-Orchidee
zottigen Bäumen aus den Augen verloren
hatte, war er zurückgekehrt und hatte sein Bestes getan, die Spuren des
Verbrechens zu verwischen. Aber sobald die Flammen aus dem Palmdach schlugen,
hatte er sein Pferd bestiegen und sich von Neuem auf die Suche gemacht. Er
musste sie finden, musste sie zu dem schriftlichen Geständnis zwingen, dass es
Jürgen gewesen war, dessen Hand den tödlichen Pfeil abgeschossen hatte, und
dass sie selbst es gewesen war, die Jürgen erdolcht hatte. Nur so konnte er
hoffen, die Verfolgung von sich abzuwenden. Und wenn das getan war, würde sie
endlich ihm ganz allein gehören.
Gewiss war sie zutiefst schockiert gewesen, als ihr Mann zu ihren
FüÃen starb. Aber Richard war zuversichtlich. Wenn er erst Gelegenheit hatte,
eine Weile mit ihr allein zu sein, würde ihr rasch klar werden, dass sie an dem
Pfefferfresser nichts verloren hatte. Es gab bessere Männer als ihn â und einer
der besten war zweifellos Richard Hagedorn.
Wie hatte es ihn gepeinigt, dem deutschen Bauerntölpel zuzuhören,
wenn der von seiner Liebe zu der schönen Neele schwadronierte! Als hätte sie
sich jemals für Jürgen interessiert! Jeder Dummkopf konnte erkennen, dass sie
in ihm nichts weiter sah als einen Dorfjungen, mit dem sie ein paar
Kindheitserlebnisse verbanden. Nicht im Traum würde sie daran denken, ihn zu
heiraten. Aber Jürgens habgierige Liebe und seine Eifersucht waren Richard sehr
zugutegekommen, als es darum ging, den Wedono aus dem Weg zu schaffen. Wenn
einer für die Tat hängen musste, dann sollte es doch besser Jürgen sein als
Richard, dem man die Anstiftung niemals nachweisen konnte.
Seit zwei Tagen suchte er die Landschaft nordwärts des Jagdhauses
nach Neeles Spuren ab. Dabei achtete er immer sehr sorgfältig darauf, keinem der Polizisten über den Weg zu laufen, die in den
Dörfern und Plantagen rundum Erkundigungen einzogen. Er wusste nur, dass Neele
geradewegs nach Norden gelaufen war, hatte aber keine Ahnung, ob sie irgendwann
vom Weg abgebogen oder sogar zurückgekehrt war. Auf dem dicken elastischen
Teppich aus abgefallenem Laub blieben keine Spuren zurück. Er hoffte, sie hätte
irgendwo Feuer gemacht, um sich die wilden Tiere vom Leib zu halten, und er
könnte ihre Feuerstelle finden, aber entweder suchte er in der falschen Gegend,
oder sie war einfach irgendwo eingeschlafen, ohne Vorkehrungen zu ihrer
Sicherheit zu treffen. Er hatte schon an den verschiedensten Kampongs und
einzeln stehenden Häusern nachgefragt, wobei er das einzige Bild vorzeigte, das
er von Neele hatte: eine sehr treffende Zeichnung des Illustrators einer Zeitung.
Der Mord an einem Beamten und die Brandstiftung im Jagdhaus hatten Schlagzeilen
gemacht, jede Zeitung in Nord- und Westjava berichtete darüber. Das Fragen fiel
Richard allerdings schwer, denn da er sich nie die Mühe gemacht hatte,
Sundanesisch zu lernen, verstanden ihn die Bauern nicht. Zudem hatte er das
Gefühl, dass auch diejenigen, die ihn verstanden, nicht gewillt waren, ihm
Auskunft zu geben. Hinter ihren Verbeugungen und ihrem höflichen Lächeln
versteckte sich der Trotz der Bevölkerung gegen den hochfahrenden weiÃen Mann,
der sie anschrie und mit der Reitgerte drohte, wenn sie seine Fragen nicht
beantworten konnten.
So in Gedanken versunken, lieà er sein Pferd traben, bis eine
Veränderung im Aussehen des Waldes ihn aufschreckte. Es wurde lichter, die
Sonne drang durch die Kronen schirmblättriger Palmen und malte tanzende Flecken
auf den Laubboden. Ein Bananenhain tauchte vor ihm auf, der beinahe in seinen
Urzustand zurückgekehrt war. Wer immer der Herr über dieses Gebiet war, kümmerte
sich nicht mehr darum.
Er ritt weiter, und kaum eine Stunde später tauchte ein
verwahrlostes, ehemals weià getünchtes Pflanzerhaus mit geschlossenen hölzernen
Jalousien vor ihm auf. Der Gedanke kam ihm, dass Neele sich hier vor ihm
versteckt haben mochte, aber er schob ihn beiseite. Das stille Gebäude flöÃte
ihm ein merkwürdiges Grauen ein, dessen Ursache ihm nicht klar wurde. Es
widerstrebte ihm, auch nur den überwucherten Garten zu betreten. Und Neele
konnte ohnehin nicht hier sein: Wie hätte sie überleben können ohne Geld, ohne
Proviant, ganz allein in dieser widerwärtigen Ruine? Und sie war ängstlich, sie
fürchtete sich vor dem Urwald und den Raubtieren darin. Sie würde so rasch wie
möglich versuchen,
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