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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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erblickte, welches Kiri beschrieben hatte, blieb Julie stehen. Sie hatte keinen Plan, in ihren Gedanken war sie immer nur bis zu diesem Haus gelangt. Was sollte sie jetzt tun? Vielleicht war Karl ja doch woanders hingefahren? Und wenn er hier war? Was, wenn er sie hier sah? Plötzlich befand sie ihre Idee, ihm zu folgen, für sehr dumm. Sie machte auf dem Absatz kehrt, um zu der Straßenecke zurückzukehren, an der der Kutscher wartete. Fast wäre sie dabei mit einer hochgewachsenen dunkelhäutigen Frau zusammengestoßen, die mit einem Korb Früchte hinter ihr aufgetaucht war.
    »Oh, Entschuldigung!« Reflexartig senkte Julie den Blick. Dass dies in Surinam Farbigen gegenüber unangemessen war, entfiel ihr in diesem Moment.
    »Ist ja nichts passiert.« Die Frau lächelte sie freundlich an, als Julie den Blick wieder hob. »Haben Sie sich verlaufen? Sie standen so ratlos auf dem Weg.« Das Gesicht der Frau hatte fein geschnittene Züge und war so ganz anders als die Gesichter der afrikanischen Sklaven mit ihren vollen Lippen und breiten Nasen. Julie konnte ihre Herkunft nicht einordnen, aber die Frau war hübsch, das stach sofort ins Auge.
    »Ja ... verlaufen ...« Julie wusste nicht, was sie sagen sollte, »aber ich glaube, ich muss da entlang.«
    Schnell murmelte sie ein verlegenes Danke und huschte an der Frau vorbei, die Straße hinunter.
    Nach ein paar Metern aber verharrte sie kurz. Sie nahm ihren Mut zusammen und blickte sich um. Die Frau hatte ihren Weg fortgesetzt, wandte sich jetzt zum Eingang des letzten Hauses und verschwand darin. Julie stockte der Atem. Suzanna!

Kapitel 9
    Zunächst reagierte Erika nicht auf Ernst van Drags Bemerkungen. Seit er sie in dem Sklavenkleid gesehen hatte, ließ er ihr gegenüber ab und an Kommentare dazu fallen. Erika bemerkte seinen seltsamen Blick und nahm an, dass er sie damit tadeln wollte. Es war ihr ohnehin peinlich gewesen, dem Plantagenbesitzer in diesem Aufzug gegenüberzutreten, aber sie hatte keine Wahl gehabt. Sie hoffte nur, dass er den Vorfall schnell vergessen würde, wenn sie sich anstrengte und redlich zeigte.
    Leider kam es anders.
    Es begann, als er sie scheinbar zufällig auf dem Weg vom Arbeiterdorf zur Plantage traf.
    »Ah, Erika. Na, haben Sie den Landsleuten wieder einen Besuch abgestattet?« Er baute sich vor ihr auf. Erika wollte gerade wahrheitsgemäß erwidern, dass sie Reiner bei Resa abgeliefert hatte, um gleich den Unterricht mit den Kindern beginnen zu können, da packte er sie am Arm und hielt sie fest. Er schob sein Gesicht ganz dicht an ihres. »Oder warst du etwa wieder im Sklavendorf, Mädchen, hm? Vielleicht sollte ich dir eins der Sklavenkleider schenken.«
    Erika riss sich verschreckt los. »Ich ... ich muss zu den Kindern«, stammelte sie und rannte so schnell sie konnte zum Haus. Er lachte dröhnend hinter ihr her.
    Erika konnte an diesem Tag keinen klaren Gedanken mehr fassen. Hatte der Hausherr den Verstand verloren?
    Am Nachmittag zog sie es vor, ihren Sohn in Begleitung von Jette bei Resa abzuholen. »Alles in Ordnung bei dir, Erika, du siehst so blass aus?« Resa sah ihre junge Freundin besorgt an.
    »Alles gut, Resa, ich ... ich bin nur etwas müde.«
    Die Holzfällerfrau runzelte die Stirn, sagte aber nichts.
    Als Erika mit Reiner auf dem Arm zum Plantagenhaus zurückkam, dämmerte es bereits. Jette hatte sich an der Abzweigung zum Sklavendorf von Erika verabschiedet und sich auf den Weg nach Hause gemacht. Als Erika nun die Veranda hinaufstieg, erschrak sie zutiefst, als sie Ernsts Gestalt im Halbdunkel auf einem der Stühle erspähte.
    »Bring das Kind ins Bett, und dann kommst du zu mir, Erika.« Seine Stimme duldete keinen Widerspruch. Erika eilte sich, ins Haus zu kommen. Jetzt würde er ihr bestimmt kündigen, wegen ihres Auftritts neulich! Damit konnte sie die weitere Suche nach Reinhard vergessen. Der Gedanke, bald wieder mittellos in die Stadt zurückkehren zu müssen, trieb ihr die Tränen in die Augen. Was sollte dann aus ihr werden? Zurück zu den Gemeinebrüdern wollte sie nicht, und ansonsten kannte sie niemanden in diesem Land. Außer vielleicht Juliette, aber die war weit entfernt, und wer wusste, ob sie überhaupt noch im Lande war und ob sie sich überhaupt noch an sie erinnerte. Wo sollte sie wohnen, wie ihr Geld verdienen? Was, wenn sie nicht mehr für Reiner sorgen konnte? Gut, vielleicht würde sie eine andere Stelle als Hauslehrerin bekommen, aber so würde sie Reinhard nie finden. Sie war jetzt schon

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