Im Land der Orangenbluten
gehen, das kam für sie nicht in Frage.
Er machte eine ehrlich überraschtes Gesicht. »Du willst wirklich nicht? Ich dachte ... jeder Sklave träumt davon ...«
Jetzt hatte sie fast Mitleid mit ihm. Er schien sie ja wirklich zu mögen, wenn er ihr gleich anbot, ihr bei der Flucht zu helfen. Entschuldigend reichte sie ihm die Hand und strich sanft über seinen Handrücken. »Dany, ich kann das nicht so einfach, ich werde hier gebraucht.«
»Aber du denkst drüber nach, ja? Als ... als meine Frau würde es dir bei den Freien an nichts mangeln, das verspreche ich dir.«
Als seine Frau? Kiri war das jetzt wirklich zu viel, sie hatte gerade das erste Mal einem Mann beigelegen, und jetzt wollte der sie gleich ...
»Ich werde es mir überlegen.« Mit diesen Worten zog sie Dany auf die Füße und wieder in Richtung Feuer.
Kapitel 12
Karl war nicht der Vater? Julie musste immer wieder an die Tragweite dieser Worte denken. Das warf ein ganz neues Licht auf die Situation um Felices’ mysteriösen Selbstmord. Bisher war Julie davon ausgegangen, dass Felice sich in einem Anfall von geistiger Umnachtung in den Fluss gestürzt hatte. Wenn sie aber von einem anderen Mann schwanger gewesen war und Karl das gewusst hatte, was mochten sich für Szenen hier auf der Plantage abgespielt haben! Julie wurde schon beim Gedanken daran schlecht. In ihrem Kopf drehte sich alles nur um das eine: Was war hier passiert?
Julie gelang es nur mit Mühe, sich auf die anderen Gäste zu konzentrieren, und so schaffte sie es kaum, einige kurze, belanglose Gespräche zu führen.
»Alles in Ordnung ...? Du wirkst etwas ... abwesend.« Julie hatte nicht mal bemerkt, dass Jean sich unauffällig neben sie geschoben hatte.
Julie spürte die Nähe und Vertrautheit ihres Freundes, nach der sie sich zuvor so sehr gesehnt hatte, doch jetzt wirkte sie auf einmal bedrohlich. »Doch, alles gut ... es ist nichts, ich bin nur etwas erschöpft.«
Jean nahm einem vorbeieilenden Diener ein Glas Champagner vom Tablett und reichte es Julie. »Hier, das hilft vielleicht, war ja auch ein langer Tag.«
Als Julie das Glas entgegennahm, streiften ihre Finger kurz die seinen. Vergessen waren die Gedanken um Felice, das war Vergangenheit. Jetzt, hier – das war die Wirklichkeit. Die prickelnde Spannung, die sich zwischen ihnen aufbaute, brachte ihr Herz gleich wieder aus dem Takt und die Schmetterlinge in ihrem Bauch zum Flügelschlag.
Nicht hier!, mahnte sie sich, nicht jetzt! Doch die Gedanken an den Kuss drängten sich mit überwältigender Kraft in ihren Kopf. Ob es ihm auch so ging? Kurz blieb sein Blick an dem ihren hängen. Was spiegelte sich darin? Begehren? Wie wurde aus einer kleinen Sekunde nur so schnell eine Ewigkeit? Sie zwang sich, den Blick abzuwenden.
»Julie, ich ...«
»Nicht hier, Jean, bitte ... nicht. Ich ... ich muss mich um die anderen Gäste kümmern.« Julie floh, bevor sie ihre Gefühle überwältigen konnten.
Sie versuchte den ganzen Abend, sich auf die anderen Gäste zu konzentrieren. Aber immer wieder streifte ihr Blick umher und suchte nach Jean. Dieser fand sich mal in höflicher Konversation oder mit nachdenklichem Blick allein an einem Tisch. Er schien jedoch sofort zu merken, wenn ihr Blick auf ihm ruhte und schaute zu ihr hin, worauf sie gleich die Augen senkte.
Am späten Abend verabschiedeten sich die meisten Gäste, um zu ihren Unterkünften zu fahren oder sich in den Gästezimmern der Plantage einzurichten. Ivon hatte Fackeln aufstellen lassen, die den Garten mit ihrem Feuerschein erhellten.
»Das war eine sehr gelungene Feier.«
Julie erschrak nicht einmal, als Jean plötzlich an ihrer Seite auftauchte. Sie war unendlich erschöpft und müde und sehnte sich nach einer Schüssel mit frischem Wasser zum Waschen und den kühlen Laken ihres Bettes. Doch sie musste ausharren, bis der letzte Gast sich verabschiedete. Das Brautpaar hingegen hatte sich schon vor ein paar Stunden entschuldigt und zurückgezogen. Natürlich unter dem wohlwollenden Gekicher der Gäste. Wenn die wüssten ... die Hochzeitsnacht können sie sich ja sparen, hatte Julie im Stillen gedacht.
»Ja, Ivon hat wirklich gute Arbeit geleistet.« Julie vermied es, Jean anzusehen.
»So eine schöne Nacht, gehen wir noch ein Stück?« Auffordernd wandte er sich in Richtung Fluss.
Julie zögerte kurz. Die verbliebenen Gäste schienen mit sich selbst beschäftigt, und von Karl und seinen Trinkkumpanen war auch weit und breit nichts zu sehen. So ging sie neben
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