Im Land der Orangenbluten
wurde immer stiller ... ich schätze, die Einsamkeit hier bekam ihr nicht gut. Ich hätte sie öfter besuchen sollen.«
»Nein, du hast bestimmt keine Schuld daran, manchmal ... manchmal kann man nicht wissen, was in Menschen vorgeht«, warf Julie ein.
»Doch, ich wusste es ja.« Valerie kniff verbittert die Lippen zusammen, und eine Träne rann über ihre Wange. »Ich wusste es leider ganz genau. Aber ich konnte Felice nicht helfen. Nicht nach ... nachdem sie schwanger war.«
Julie spürte Valeries tiefe Traurigkeit und war zutiefst erschüttert. Sie setzte zu einer Erklärung an. »Na ja, aber viele Frauen werden etwas ... schwermütig, wenn sie schwanger sind, das lässt ja nicht ahnen, dass sie ... Außerdem, wenn jemand hätte reagieren müssen, wäre es doch wohl Karl gewesen, ich meine, wenn seine Frau damals ...«
»Das war es ja eben, er hat sie ignoriert und sozusagen verstoßen ...«
»Ach, warum hätte er das denn tun sollen? Meinst du, dass es wirklich so schlimm war?« Julie konnte sich das nicht vorstellen, selbst bei Karl nicht, zumal er Felice zunächst offensichtlich wirklich geliebt hatte. Es rührte sie jedoch zutiefst, dass Valerie das Ganze immer noch so zu Herzen ging. Sie nahm beruhigend Valeries Arm, der jetzt unverhohlen die Tränen über die Wangen liefen. »Warum hätte er Felice ... er als zukünftiger Vater!«
»Das ist es doch ... Juliette. Karl war nicht der Vater!«
Kapitel 11
Kiris Füße schmerzten. In den letzten Tagen war sie so viel hin und her gelaufen, wie noch nie in ihrem Leben. Jedesmal, wenn die Misi sie gerade freigestellt hatte, tauchte Amru auf und scheuchte sie mit einem neuen Auftrag davon. Erschöpft wanderte sie jetzt zum Sklavendorf. Die Trauung war beendet. Die Bedienung der Gäste oblag den Hausmädchen und Ivons Personal. Mit den schick livrierten Dienstboten konnten die Hausmädchen auf Rozenburg sowieso nicht mithalten und beschränkten sich daher darauf, die Tabletts mit Getränken und Speisen aus der Küche bis zum Garten zu tragen, wo die geschulten Diener diese entgegennahmen und gekonnt servierten. Kiri kam das alles etwas hochgestochen und pompös vor, aber sie hatte die Misi Martina noch nie so glücklich gesehen wie an diesem Tag, und auch Misi Juliette machte einen sehr zufriedenen Eindruck. Als nun der gesellige Teil des Abends begann, hatte sie Kiri fortgeschickt. »Ruh dich aus, die nächsten Tage werden nicht ruhiger«, hatte sie gesagt.
Nach Ausruhen war Kiri trotz ihrer schmerzenden Füße aber nicht zumute. Zu Ehren des Brautpaares hatte der Masra den Sklaven eine großzügige Extraration ausgegeben, und seit den Mittagsstunden bereiteten die Frauen über großen Feuern ein Festmahl zu. Kiri schätzte, dass dieses ohne das Zutun der Misi Juliette nicht so opulent ausgefallen wäre. Die Misi hatte den Masra nachdrücklich gebeten, die Sklaven bei den Feierlichkeiten entsprechend zu bedenken.
Und bei dem heutigen Fest würden die Sklaven unter sich sein, denn die Aufseher hatten ebenfalls ein kleines Fass Dram bekommen und sich mit Speisen aus der Küche versorgen dürfen. Die meisten von ihnen lagen vermutlich schon im Delirium, verbot es ihre Tätigkeit doch sonst, dem Alkohol zu sehr zuzusprechen. Darauf achtete der Masra sehr.
Je näher sie dem Dorf kam, desto intensiver stieg ihr der Duft von gebratenem Fleisch in die Nase. Ihr Magen meldete sich mit einem lauten Knurren. Seit dem Morgen hatte sie nichts mehr gegessen.
Am hintersten Ende des Dorfes hatten sich schon viele Sklaven versammelt. Es wurde gelacht, und einige Männer bauten gerade die Trommeln auf. Kiri hoffte, dass sie weit genug von der Plantage und der Gartenanlage entfernt waren, um die weißen Gäste nicht durch die Trommelmusik und die Feier der Sklaven zu stören. Aber der Tanz war ja genehmigt. Kiri war voller Vorfreude – bisher hatte sie nur Veranstaltungen miterlebt, die tief in der Nacht und in aller Heimlichkeit irgendwo im Wald oder zwischen den Zuckerrohrfeldern stattgefunden hatten.
Dankbar nahm sie das Essen an, welches die Frauen verteilten, und setzte sich bequem etwas abseits an die Wand einer Hütte. Inzwischen war es dunkel geworden, nur der Schein des Feuers erhellte die Umgebung. Die Tänzer, die sich nach und nach am Feuer einfanden, warfen lange, gespenstische Schatten, und die Musik lullte Kiri ein. Dies war ein Fest, keine Beschwörung, daher war die Stimmung ausgelassen. Man saß zusammen, scherzte und lachte.
Kiri lehnte sich satt und
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