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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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teilzunehmen. Julie überlegte kurz, sich erneut zurückzuziehen, entschied sich dann aber anders. Nein, er würde sie nicht zermürben!
    Martina sprach kein Wort mit Julie. Pieter gab ab und an ein gehässiges Grinsen von sich. Es war nicht schwer zu erraten, wer Karl bei der Hochzeit auf die Fährte von ihr und Jean gesetzt hatte.

Het geviel dat ...
Es geschah, dass ...
    Surinam 1860–1862
Plantage Bel Avenier, Plantage Rozenburg, Paramaribo

Kapitel 1
    Frieda van Drag starb an einem Morgen im September. Dichter Nebel zog durch den Wald bis über den Fluss und nahm ihre Seele mit. So hoffte zumindest Erika. Normalerweise führte diese Krankheit nicht so schnell zum Ableben, aber die Fieberschübe waren zuletzt immer häufiger und heftiger aufgetreten und hatten letztendlich ihren Tribut gefordert. Erika dankte Gott insgeheim, dass er dem Leid der Frau ein schnelles Ende gesetzt hatte. Und zwar nicht nur dem Leid ihres kranken Körpers. Inzwischen war Erika klar, wieso sich Frieda van Drag jahrelang von einer Schwangerschaft in die nächste geflüchtet hatte. Nur so hatte sie sich ihren Mann fernhalten können. Ernst van Drag war ein Monster. Zeigte er sich tagsüber kühl, distanziert und herrisch gegenüber seinen Kindern und den Untergebenen, erwachte sein wahres Ich nach Anbruch der Dunkelheit, wenn er Erika in die Kammer orderte. Sie hatte nach dem ersten Übergriff kurz gehofft, es handele sich um ein einmaliges Vergehen, wurde aber schnell eines Besseren belehrt. Er rief sie immer und immer wieder, zwang sie in das Sklavenkleid und fiel über sie her.
    Erika war nur noch ein Schatten ihrer selbst, riss sich aber so gut es ging zusammen. Oft hatte sie in ihrer Verzweiflung überlegt, jemanden einzuweihen, aber wen? Jette? Den Gedanken hatte sie schnell wieder verworfen. Was sollte die Haussklavin schon ausrichten? Sie vertraute Jette, wollte sie aber nicht ebenfalls in Gefahr bringen. Nicht auszudenken, was geschah, wenn Ernst van Drag mitbekam, dass sie anderen von seinen Übergriffen erzählte. Nein, es war besser, nichts zu sagen.
    Erika versuchte, sich mit der Versorgung der Kinder abzulenken. Diese zeigten sich nicht sehr betroffen vom Tod ihrer Mutter, nur die Kleinsten vergossen einige Tränen, vergaßen sie aber nach ein paar Wochen. Ihre Mutter war für sie nur eine kühle Fremde gewesen, die den Hausstand überwiegend aus ihren Gemächern dirigiert hatte. Sie waren genau genommen schon lange mutterlos. Erika schmerzte das in der Seele. Wie konnte man nur so viele Kinderseelen in so eine herzlose Welt pflanzen? Was sollte aus den Kindern werden bei diesem Vater? Ernst züchtigte seine Kinder, und Erika hoffte inständig, dass er die Mädchen nie anfasste. Einzig die ehemaligen Ammen und Haussklaven boten den Kindern etwas Halt, was die Kinder allerdings nicht davon abhielt, die Sklaven herumzukommandieren, nachdem sie sich an ihren Rockschößen ausgeweint hatten.
    Erika versuchte, ihren Sohn so gut es ging vom Haushalt fernzuhalten. Reiner fühlte sich bei den Holzfällern und deren Kindern wohler, plapperte schon eifrig Laute vor sich hin und lief inzwischen mit gespreizten Beinchen – gehalten von Erikas Händen – tapsig über den staubigen Hof zwischen den Hütten.
    Aber nach vielen Wochen und weiteren schmerzhaften Übergriffen seitens Ernst van Drags wollte Erika nur noch fort. Sie war jetzt fast ein Jahr in der Familie und konnte nicht mehr. Wenn sie blieb, würde sie diese Tortour nicht mehr lange überleben. Auf Anfrage ziehen lassen würde Ernst sie nicht, nie und nimmer, da war sie sich sicher – also blieb ihr nur die Flucht. Natürlich war eine Flucht gefährlich, gerade auch für den kleinen Reiner, aber Erika sah keinen anderen Ausweg. Ihr ging es nicht gut, und das würde sich nicht bessern, solange sie hierblieb. Ihr Körper war geschunden, und langsam zehrte er sich aus. Sie hatte kaum noch Appetit, und eine latente Übelkeit befiel sie. Sie schob es auf den psychischen Druck.
    Jette hatte in diesem Punkt ein besseres Auge: »Misi Erika schwanger?«, sagte sie eines Morgens augenzwinkernd zu Erika, als diese das Frühstück gerade wieder beiseitegeschoben hatte und Reiner noch ein paar Früchte in die kleinen Finger gab. Erika erstarrte und zählte fieberhaft im Kopf die verstrichenen Tage. Dann sprang sie auf und übergab sich draußen neben dem Kücheneingang in die Büsche. Das konnte doch nicht sein! Das durfte nicht sein! Nicht von diesem Mann!
    Doch je länger sie

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