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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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Dunkelheit auf der Veranda schälte. Erika umklammerte Reiner. »Willst du etwa abhauen? Du weißt doch, was entflohenen Sklaven blüht, oder?« Er trat einen Schritt auf sie zu, der Gestank von Alkohol wehte ihr entgegen. Erika wich zurück, ohne jedoch den Griff um ihr schlafendes Kind zu lockern.
    »Nein, ich ... ich ...« Leises gläsernes Klirren erklang hinter ihr, als sie an einen der kleinen Tische stieß.
    Ernst van Drag trat einen weiteren Schritt auf sie zu. Im Dunkeln funkelte das Weiß seiner Augen auf, als er Erika mit festem Griff am Arm packte, mit dem sie Reiner umklammert hielt.
    Um nicht rücklings zu fallen, ruderte Erika haltsuchend mit der freien Hand. Plötzlich bekam sie etwas Kaltes zu fassen. Einen Krug? Eine Flasche? Sie umfasste das Gefäß und hob den Arm, während sie gleichzeitig ihren Körper nach vorne warf. Mit voller Wucht hieb sie mit dem Gegenstand nach Ernst van Drag. Glas splitterte, als der Krug seinen Kopf traf. Verblüfft taumelte er rückwärts.
    »Na ... na ...! Du kleine Hure willst doch wohl nicht ...«
    Seine Stimme hatte einen merkwürdig kalten Klang. Erika spürte, wie Reiner unruhig den Kopf hin und her warf, bald würde er aufwachen. Tränen der Angst rannen über ihre Wangen, sie sah Ernst van Drags Gestalt nicht mehr richtig, hatte aber nur noch ein Ziel. Sich und ihr Kind zu retten. Instinktiv stieß sie noch einmal nach ihm und registrierte, dass sie mit dem zerbrochenen Krug seinen Körper traf. Nein, er durfte, er würde sie nicht aufhalten! Wieder und wieder schlug sie zu, blind vor Panik. Plötzlich gab er einen gurgelnden Laut von sich und sackte nach hinten. Erika ließ wie in Trance den Krug fallen, schlang beide Arme um Reiner, der jetzt leise wimmerte, und rannte so schnell sie konnte in Richtung Fluss.
    Fast wäre sie über eine Wurzel auf dem ausgetretenen Weg gestolpert, fing sich aber und flüsterte Reiner ein paar Worte zu, in der Hoffnung, er würde sich beruhigen. Wenn er jetzt anfing zu schreien, würde die ganze Plantage es hören.
    Sie warf ihren Beutel mit den wenigen Habseligkeiten in das erste Boot und schob ihn mit dem Fuß unter eine der Sitzbänke. Reiner legte sie davor, bevor sie erneut auf den Steg sprang. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis es ihr gelang, das Tau mit ihren zittrigen Fingern zu lösen. Fast wäre sie im Schlamm ausgeglitten, als sie das Boot in tieferes Wasser stieß. Schnell sprang sie in das wankende Gefährt und ergriff das Ruder in dem unbeholfenen Versuch, es in die Strömung zu bringen. Das Boot legte sich jedoch sofort wie von selbst mit der Strömung ins Wasser und nahm schnell Fahrt auf. Erika atmete erleichtert auf. Sie zitterte am ganzen Körper. Sie hatte Ernst van Drag verletzt. Vielleicht sogar ...? Nein! Das durfte sie nicht einmal denken. Aber selbst wenn sie ihn nur verletzt hatte ... man würde sie suchen, womöglich sogar anklagen und einsperren. Was hatte sie getan?
    Erika fand keinen Schlaf. Lange saß sie da und verlor sich in ihren Gedanken. Reiner schlief auf seinem Lager auf der anderen Seite des Bootes, ihm schienen die Turbulenzen der Nacht nicht besonders viel ausgemacht zu haben. Was sollte sie jetzt bloß tun? Wenn man nach ihr suchte, würde man sie auch finden, sie konnte sich mit Reiner schließlich nicht ewig verstecken, nicht in ihrem Zustand. Erschöpft und mutlos wandte sie den Blick zum Himmel. Bald müsste die Sonne aufgehen. Ein zarter roter Schleier erschien bereits über den Baumkronen. Plötzlich fing das Boot wie von Geisterhand an zu schwanken. Erst gemächlich von links nach rechts, schon bald aber immer stärker. Was war das? Stromschnellen? Felsen? Erika bekam Angst, und auch Reiner regte sich auf seinem Lager. Erika wollte ihren Sohn näher bei sich haben, dafür würde sie allerdings das Boot durchqueren müssen.
    Als sie sich umblickte, sah sie das Tau, mit dem das Boot zuvor festgemacht gewesen war. Sie wickelte sich das lose Ende um das Handgelenk und versuchte schwankend, sich aufzurichten. Ein fataler Fehler. Das Boot kam gänzlich aus dem Gleichgewicht, neigte sich, und ehe Erika Halt finden konnte, stürzte sie über Bord. Das kalte Wasser schlug über ihr zusammen und drückte ihr die Luft aus den Lungen. Prustend und strampelnd kämpfte sie sich an die Oberfläche, einen kurzen Moment verlor sie die Orientierung. Reiner!
    Ein schmerzhafter Ruck am Arm zog Erika ein Stück aus dem Wasser. Das Tau, sie hing hinter dem Boot!
    Erika konnte nicht schwimmen,

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