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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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unaufhörlich. »Nun los!«, befahl sie energisch. Jetzt endlich kam Bewegung in die Frauen. Kiri rannte von Hütte zu Hütte und dann ebenfalls zum Gästehaus, wo die Misi soeben der alten Orla die Stufen hinaufhalf. In der oberen Etage herrschte bereits dichtes Gedränge. Die Sklavenfrauen hockten sich auf den Flur, niemand wagte, die Zimmer zu betreten. Als sie zusammen mit der Misi die alte Frau die Treppe hinaufgeschoben hatten, stand das Wasser bereits an der untersten Stufe. »O Gott, wie weit wird es steigen?« Misi Juliette starrte ungläubig auf die braune Brühe, die sich dort unten ihren Weg bahnte. Der Regen ließ nicht nach, Windböen rüttelten am Haus, und die Mütter hielten ihre Kinder schützend im Arm. Draußen wurde es langsam dunkel. Die Misi ging noch einmal den Flur ab. »Habt ihr alle eure Kinder? Ist auch keines zurückgeblieben?« Die Frauen nickten stumm und blickten die Misi mit dankbarem Blick an. »Wir können jetzt nichts mehr machen, wir müssen warten, bis das Wasser wieder weg ist«, sagte sie mit ruhiger Stimme, während sie durch das Fenster auf das Drama hinabschaute, welches sich in der Dunkelheit der einbrechenden Nacht draußen abzeichnete. Das Wasser stand bereits über einen Meter hoch.
    Kiri suchte aus dem Kleiderschrank des Gästezimmers eine Decke und legte sie ihrer Misi um die Schultern. »Misi sollte sich setzen.«
    Die Misi blickte sie dankbar an. »Hoffentlich passiert den Männern auf den Feldern nichts«, murmelte sie.
    »Die passen schon auf sich auf«, versuchte Kiri ihre Misi zu beruhigen. Sie hörte selbst, dass ihre Stimme nicht besonders überzeugend klang.
    »Und Pieter? Wo steckt der eigentlich?« Misi Juliette stand noch einmal auf und schaute aus dem Fenster.
    Kiri hoffte, dass Masra Pieter jetzt nicht im Gästehaus auftauchte. Er wäre bestimmt sehr böse, weil die Sklavenfrauen in den Fluren saßen. Seine Räume waren zwar immer fest verschlossen, munkelten die Hausmädchen, aber nicht auszudenken, falls eine der Türen offenstand und eine der Frauen ...
    Ihr Blick fiel auf die Misi. Sie zitterte vor Aufregung, und ihre Kleider waren tropfnass.
    »Misi Juliette sollte sich etwas anderes anziehen, sonst wird die Misi krank. Darf ich ... darf ich nachsehen, ob ich trockene Kleidung finde?« Die Misi nickte erschöpft. Kiri lief los und fand in einem der vorderen Gästezimmer in einem Schrank einige alte Kleidungsstücke. Sie führte ihre Misi in das Zimmer und half ihr beim Umziehen. Misi Juliette schwankte leicht, hielt sich aber auf den Beinen. »Ist der Misi nicht gut?« Kiri stützte ihre Herrin besorgt am Arm.
    »Geht schon«, murmelte diese mit dünner Stimme.
    »Misi sollte sich etwas ausruhen, die ganze Aufregung, in Misis Zustand ...«, sagte Kiri behutsam.
    Die Misi starrte Kiri an, ihre Augen waren vor Schreck weit aufgerissen. »Woher weißt du das?«
    Kiri jedoch zuckte nur die Achseln. »Misi hat Anzeichen wie jede Frau, die ...« Weiter kam sie nicht. Die Misi packte sie an den Armen, wie sie es nie zuvor getan hatte. Sie blickte ihr fest in die Augen, ihr Blick war unergründlich.
    »Kiri, du darfst es niemandem sagen, hörst du? Niemandem!« Der Tonfall ihrer Stimme war beschwörend.
    Kiri schüttelte verdattert den Kopf, so hatte sie ihre Herrin noch nie erlebt. »Aber Misi Juliette, der Masra wird sich ...« Erstaunt sah sie, wie die Misi sich kraftlos auf einen hölzernen Stuhl sinken ließ, die Hände vor das Gesicht schlug und schluchzte. »Misi ... alles in Ordnung ... Ich wollte nicht ...«, stammelte Kiri.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis ihre Misi reagierte. Kiri wartete geduldig, ihr war die Situation nicht geheuer. Die Misi war endlich schwanger, warum freute sie sich nicht, sondern saß hier auf einem Stuhl und weinte?
    »Ach Kiri, nichts ist in Ordnung«, schluchzte die Misi schließlich. »Ich ... das Kind ... der Masra ist nicht ...«
    Kiri schlug sich die Hand vor den Mund. Wie dumm war sie gewesen!

Kapitel 8
    »Wie soll sie denn heißen?«
    Klara wiegte das kleine neugeborene Mädchen in ihren Armen. Auf dem sonst so derbe anmutenden Gesicht der Missionsschwester spiegelte sich Verzückung.
    Erika hingegen lag da und starrte an die Decke. In der Nacht hatte nicht nur ein Unwetter das Land heimgesucht, sie hatte auch noch eine Tochter geboren. Sie wusste nicht, wie sie dieses Kind nennen sollte. Bis zuletzt hatte sie versucht, die Schwangerschaft zu verdrängen. Selbst als sie nach dem Frühstück vom Tisch aufgestanden

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