Im Land der Orangenbluten
War sie ihm egal? Sie konnte nicht weinen, obwohl es ihr in der Kehle brannte.
Zum Ende der Schwangerschaft quälten Julie fürchterliche Albträume. In ihren Träumen erkannte Karl sofort, dass dieses Kind nicht von ihm war, er warf Julie hinaus, und sie musste sich, mittellos wie er sie fortschickte, mit dem Kind als gefallene Frau in der Stadt durchschlagen. Ein ums andere Mal wachte sie schweißgebadet auf. Gleichzeitig verspürte sie eine unendliche Liebe für dieses kleine Wesen, welches da in ihr heranwuchs. Es war ihr Kind, Jeans Kind. Das Kind des einzigen Mannes, den sie jemals wirklich geliebt hatte. Und sie würde dieses Kind beschützen, selbst wenn sie dafür ihr Leben lang lügen musste.
Kapitel 10
Henry wurde an einem sonnigen, lauen Dezembervormittag drei Wochen zu früh geboren. Die lange Nacht in den Wehen hatte Julie arg gebeutelt. Sie hatte nie gedacht, jemals solche Schmerzen ertragen zu müssen. Aber als sie das zarte rosa Baby in ihren Armen hielt, verflog die Erinnerung in Windeseile.
»Ist ein starker Junge.« Amru lächelte zufrieden, und auch Kiri strahlte glückselig und wich nicht von Julies Seite. Beide hatten Julie in den letzten Stunden beigestanden.
Karl kam erst hinzu, als das Kind bereits gewaschen und friedlich schlafend in sauberen Tüchern lag.
»Mein Sohn!« Stolz nahm er das Baby hoch und hielt es vor sich. Kurz überkam Julie die Angst, dies sei der Moment, in dem er erkennen würde, dass dieses Kind nicht seins war. Aber Karls Augen spiegelten Glückseligkeit wider, keine Spur des Misstrauens zeigte sich darin. Langsam fiel die Anspannung von Julie ab. Wenn Karl nie Zweifel hegen würde, dann würde auch niemand anderes einen Verdacht äußern.
Julie gab Kiri von Anfang an vertrauensvoll den kleinen Henry in den Arm. Sie beobachtete, wie Amru dem Mädchen alles geduldig erklärte, was es für den Umgang mit dem Baby wissen musste, wie es zu halten und zu wickeln war und vieles mehr. Sie wusste, Kiri würde alles tun für ihr Kind.
Im Gegensatz zu Martin, der in seinen ersten Lebensmonaten den ganzen Haushalt auf Trab gehalten hatte, war Henry ein pflegeleichtes Kind. Nie schrie er ungehalten, nie wurde er ungeduldig. Mit seinem charmanten Babylächeln wartete er, bis man sich um ihn kümmerte, und gluckste munter, wenn man ihn versorgte.
Julie erholte sich schnell von der Geburt, und als sie wieder aufstehen durfte, nahm sie das Baby gleich auf ihrem Arm überall mit hin.
Karl schimpfte mit ihr: »Nimm Henry doch nicht mit in das Negerdorf, wer weiß, was er sich da alles einfangen kann!«
Aber Julie ließ sich davon nicht beirren. »Ach was, die Sklaven sind alle gesund und munter, was soll da passieren?«
Kiri betrachtete das Kind von Zeit zu Zeit nachdenklich. Ab und an überkam sie die Angst, man würde den Schwindel um den Vater des Kindes bemerken. Sie gab sich aber Mühe, diese Gedanken aus ihrem Kopf zu streichen. Die Misi spielte dieses Schauspiel hervorragend, dann würde sie das auch tun.
Ihr war nicht entgangen, dass Masra Pieter das Kind immer wieder argwöhnisch betrachtete. Die Misi hatte ihr leise zugeflüstert, er sei nur böse, weil er sich von seinem Thron verstoßen fühlte. Kiri hatte kurz darüber nachgedacht, bevor ihr klar wurde, was die Misi meinte: Masra Pieter sah seine Zukunft auf der Plantage gefährdet. Aber das war Kiri ziemlich egal, mit ihm und seiner Frau und dem Kind hatte sie nicht viel zu tun. Seit Henrys Geburt schienen sie sich außerdem mehr und mehr zurückzuziehen. Sie hatten ihre eigenen Leibsklaven und führten auch weitestgehend ihr eigenes Leben auf der Plantage oder in der Stadt. Selbst wenn Masra Pieter irgendwann die Plantage übernehmen würde, war sie davon nicht betroffen, sie würde Misi Juliette folgen.
Zu Ehren seines neugeborenen Sohnes ließ Masra Karl ein Fest veranstalten. Die Sklaven bekamen einen halben Tag frei und durften am Abend im Dorf einen Tanz abhalten. Sogar eine Extraportion Fleisch schenkte ihnen der Masra.
»Sie sollen den kleinen Masra gleich als guten Masra sehen«, hatte er der Misi in Kiris Beisein erklärt, die sich über diese ungewohnte Fürsorge Karls für die Sklaven wunderte.
Natürlich war dies Fest ein willkommener Anlass für die Buschneger, mit ihrem Boot an der Plantage anzulegen. Kiri fragte sich zum wiederholten Male, wie sie so schnell von solchen Dingen erfuhren. Noch bevor das Holz für das Feuer zusammengetragen war, begegnete sie dem vergnügten Dany im
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