Im Land der Orangenbluten
herrschte Karl sie an.
»Karl, bitte!«, bat sie flehend.
Doch Karl schien unberührt. »Ich habe gesagt, du sollst dich setzen. Pieter hat recht. Wir müssen sehen, was wir bis nächstes Jahr erhalten können. Wenn, dann muss er jetzt damit anfangen. Und wenn sein Zeug tatsächlich hilft ...«
»Dann hätten wir im kommenden Jahr sogar noch gut ein Drittel mehr Leute in der Ernte, die wegen des verdammten Fiebers sonst immer ausfallen.« Pieter lehnte sich triumphierend zurück.
»Vielleicht solltest du das Mittel zunächst selbst mal schlucken«, fuhr Julie ihn an.
Sie erinnerte sich noch gut an sein anfänglich höhnisches Lachen, als sich beim letzten Mal die Kinder die Seele aus dem Leib gewürgt hatten. »Die fangen sich schon wieder«, hatte Pieter lapidar gesagt. Erst als Karl ihn in die Verantwortung genommen hatte, hatte er ein bisschen Reue gezeigt, vermutlich aber nur, um seinen Schwiegervater zu besänftigen. Im Dorf, bei den Kindern, war er kein einziges Mal wieder gewesen.
»Juliette!« Karls scharfer Ton ließ keine Zweifel: Die Diskussion war beendet.
Julie fühlte sich hilflos. Es widerstrebte ihr zutiefst, dass sie das Geschehen nicht beeinflussen konnte und alles in Pieters Hand lag. Das Einzige, was sie in dieser Hinsicht tun konnte, war, Pieters Tun persönlich zu beaufsichtigen. Nach ihrem Geschmack hatte er sich viel zu viele Männer ausgesucht. Diese saßen nun mit verängstigten Mienen unter dem Dach des großen Gemeinschaftshauses und warteten auf ihre »Behandlung«.
Zwei Aufseher standen am Eingang postiert. Keiner der Sklaven würde es wagen, sich zu widersetzen.
»Es wird euch nichts passieren, das Mittel soll euch helfen.« Julie schenkte ihren Worten zwar selbst wenig Glauben, aber sie versuchte, die Männer so gut es ging zu beruhigen.
Nach einer Stunde hatten alle eine Spritze erhalten und trollten ich schnell wieder zurück ins Sklavendorf.
»Wie lange wird es dauern, bis man weiß, ob etwas passiert?« Julie konnte sich diese Frage nicht verkneifen, obwohl sie es eigentlich vermied, mit Pieter zu sprechen.
Pieter grinste höhnisch. »Liebe Schwiegermutter«, begann er hochmütig, »es wird nichts passieren, außer dass diese Männer keine Fieberschübe mehr bekommen werden.«
Seine arrogante Art reizte Julie bis aufs Mark. »Na, hoffen wir es ...«
Es dauerte genau drei Tage, bis die ersten Männer daniederlagen. »Normale Nebenwirkungen«, beschied Pieter, immer noch von seinen Fähigkeiten überzeugt.
Derweil reiste Karl in die Stadt. Am Nachmittag des nächsten Tages starb der erste Mann.
Amru machte am folgenden Morgen einen nervösen und fahrigen Eindruck. So kannte Julie die Haussklavin gar nicht.
»Alles in Ordnung Amru?«, fragte sie besorgt.
»Nein, Misi ... es gibt ein Problem im Dorf«, stammelte Amru. Ihr Blick drückte ernsthafte Sorge aus.
Julie wurde sofort hellhörig. »Was ist los? Hat Pieter wieder ...?«
»Nein, Misi ... aber ... heute Nacht sind einige der Männer, die Masra Pieter behandelt hat, davongelaufen.«
»Davongelaufen?« Julie traute ihren Ohren nicht. Auf das Verlassen des Plantagengrundes stand eine hohe Strafe.
»Die Männer haben Angst Misi, sie wollen lieber zu ...« Julie konnte es sich denken. Wenn im Sklavendorf der Medizinmann nichts mehr ausrichten konnte, befragten die Sklaven den Heiler der Buschneger, nicht weil dessen medizinischen Kenntnisse besser waren, sondern weil die Sklaven meinten, dieser Mann würde mit den Geistern direkter in Kontakt stehen als ihr eigener Heiler. »Sie denken, sie werden sterben.« Amru senkte den Blick.
Julie schluckte. »Das kann ich ihnen nicht verübeln. Wissen es die Basyas schon?« Die Aufseher hatten strikte Anweisung, sofort mit den Hunden auf die Suche zu gehen, wenn ein Sklave vermisst wurde. Und was diese abgerichteten Tiere anrichteten, wenn sie, von der Leine gelassen, einen Schwarzen zu packen bekamen ... Julie schauderte. Sie hatte die verheilten Bisswunden eines alten Feldsklaven der Plantage gesehen. Gegen die Hunde war die Peitsche das geringere Übel. Das wusste jeder Sklave. Amru schüttelte den Kopf. »Gut.« Somit hatten sie wenigstens noch eine geringe Chance, dass die Sache glimpflich ausging. Jetzt galt es, zu handeln. »Die Männer wollen doch wiederkommen, oder?«
Amru nickte heftig mit dem Kopf. »Natürlich, Misi, die haben alle Familie hier!«
»Mein Gott, wo bleibt der denn?« Julie stand mit Kiri seit über zwei Stunden am Fluss. Sie wartete auf Karl.
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