Im Land der Orangenbluten
Nervös lief sie am Ufer auf und ab, gefolgt von einem ebenso nervös flatternden Nico.
Julie hielt es für das Beste, Karl gleich am Fluss in Empfang zu nehmen. Er sollte von ihr hören, was geschehen war. Vielleicht konnte sie ihn überzeugen, dass man auf die Männer warten und nicht gleich Jagd auf sie machen sollte.
Endlich sah sie das Boot den Fluss hinaufkommen.
»Juliette, was stehst du hier im Dunkeln am Wasser?« Er klang ärgerlich.
»Karl, wir müssen reden! Pieter ...«
»Heute nicht mehr, Juliette, ich bin müde. Aiku, bring meine Sachen ins Haus. Und du Viech ... weg!« Er gab Nico einen Fußtritt, Federn flogen. Der Vogel verschwand im Dunkeln.
Julie schnappte nach Luft, zwang sich aber zur Ruhe. »Karl, bitte, es ist wichtig, Pieter hat ... die Männer ...«
»Hat das nicht Zeit bis morgen?« Karl schob Julie unwirsch beiseite, um sich auf den Weg zum Haus zu machen.
»Karl! Ein Mann ist bereits tot ... die anderen ...«
Karl drehte sich um. »Was?« Sein Blick verfinsterte sich, und er wandte sich in Richtung Sklavendorf.
In diesem Moment trat Jenk aus dem Schatten der Hecken, die den Weg zum Sklavendorf säumten. »Masra Karl.«
»Jenk? Was tust du hier? Warum bist du nicht im Dorf?« Karl schien nun ernsthaft erstaunt.
»Masra Karl, bitte.« Jenk schmiss sich vor seinem Masra auf die Knie. »Die Männer ... sie hatten Angst ... sie kommen wieder.« Jenk war als Schamane und Medizinmann im Grunde auch der Anführer der Sklaven. Alles, was im Dorf geschah, fiel unweigerlich auf ihn zurück.
»... kommen wieder? Heißt das ...? Sind die Aufseher schon unterwegs?«
Jenk schüttelte unterwürfig den Kopf. »Masra, ich sage doch, sie kommen wieder, bitte ...«
»Du hast den Aufsehern keine Meldung erstattet?«
»Karl, bitte, hör ihn doch an.« Julie schwante Böses.
»Halt dich da raus! Wolltest deine Negerfreunde wieder mal beschützen, was?«, brauste Karl auf.
»Karl, wenn Pieter nicht ...«
Karl wandte sich bereits wieder Jenk zu und griff nach seiner Peitsche, die immer an seinem Gürtel hing. »Dass du mir noch in den Rücken fällst ... aufständische Neger überall ... »Der erste Schlag traf den Mann quer über den Schultern. »Du hast zu melden, wenn welche weglaufen ...« Der zweite Schlag ging nieder.
»Karl, hör auf!« Julie wollte sich zwischen Karl und Jenk werfen, doch Kiri kam ihr zuvor. Geistesgegenwärtig stieß sie ihre Misi beiseite, bevor der nächste Hieb sie treffen konnte. Julie strauchelte und ging auf die Knie. Dafür bekam Kiri die Peitsche quer durchs Gesicht und fiel zu Boden.
»Dieses Negerpack! Werden jetzt alle widerspenstig? Es ist unglaublich!« Karl brüllte vor Zorn.
»Karl! Hör auf!«
Doch Karl war wie von Sinnen, wieder holte er aus, um einen der Sklaven zu treffen, die vor ihm kauerten. Kiri hielt beide Hände vor ihr Gesicht, Jenk duckte sich in Erwartung des nächsten Schlages.
Julie taumelte auf Karl zu, sie war wie benommen vor Entsetzen. Diese Menschen hatten nichts getan! Sie stieß mit dem Bein gegen etwas Hartes und griff danach – ein Paddel!
»Karl!«, schrie sie verzweifelt, doch er ließ sich nicht von seinen Opfern ablenken.
Zwischen Kiris Händen quoll eine Unmenge Blut hervor, Julie konnte es förmlich riechen. Und mit einem Mal wurde ihr klar, dass er das Mädchen totschlagen würde, wenn sie selbst nichts unternahm. Julie nahm alle Kraft zusammen und riss das Paddel in die Luft. Als es auf Karls Hinterkopf traf, erklang ein dumpfes Geräusch. Karl hielt kurz inne und wandte den Kopf. Der Blick, den er Julie zuwarf, drückte Verwunderung aus. Dann fiel er wie ein gefällter Baum zu Boden. Julie schmiss das Paddel beiseite und eilte zu Kiri. Das Mädchen lag zusammengekauert auf dem Boden und wimmerte.
»Kiri, alles gut, Kiri?«, fragte sie sanft. Julie nahm ihr vorsichtig die Hände vom Gesicht. »Kiri, lass mich mal sehen. Bitte ... Kiri!«
Julie stockte der Atem, als das Mädchen schließlich das Gesicht hob. Der Schlag der Peitschte hatte sie quer darüber getroffen. In Höhe des linken Auges war die Haut tief aufgeplatzt, unter der großen Menge Blut konnte Julie kein Auge mehr erkennen.
»Jenk?«, stieß sie atemlos hervor. »Jenk, wir müssen ihr helfen!«
Als Julie sich umdrehte, sah sie Jenk über Karl gebeugt stehen. Auch Jenks Schultern waren von blutigen Striemen übersät.
»Jenk!«
»Misi Juliette ... der Masra, ich glaube ...«
»Komm hierher und hilf mir!« Julie schrie jetzt fast, während sie
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