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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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treu gewesen.
    Sie sprachen die ganze Nacht. Erika erfuhr, dass Reinhard für die Kinder der Station als Lehrer arbeitete. Welch widersprüchliche Aufgabe, dachte sie im Stillen. Selbst wenn diese Kinder mit der Krankheit groß wurden und ihnen gar ein recht langes Leben beschert würde, die Station würden sie nie verlassen können. Sie sagte aber nichts, um Reinhard nicht zu verletzen.
    Reinhard hielt große Stücke auf Pater Donders. Er war, neben zwei schwarzen Aushilfsschwestern, der Einzige, der nicht von der schrecklichen Krankheit befallen war. Seine Lebensaufgabe bestand darin, die Station und den Kontakt zur Landesverwaltung aufrechtzuerhalten, um den Menschen auf Batavia ein halbwegs lebenswertes Leben zu ermöglichen. Mit Lepra konnte man durchaus alt werden. Nur wollte sich kein Gesunder freiwillig in die Nähe eines Kranken begeben. Aus dem ganzen Land schickte man Erkrankte hierher. Reinhard erzählte, dass häufig Boote mit ausgezehrten und halb toten Sklaven in Batavia ankamen. Erika merkte, dass ihm die Arbeit hier sehr wichtig war. Das erfüllte sie mit Stolz.
    Als der Morgen graute, wurden beide schweigsam. Parono hatte die Abfahrt für den frühen Morgen angekündigt. Die Trennung nahte, und sie würde dieses Mal endgültig sein. Erika konnte nicht hier leben, Reinhard konnte sich nicht in der Stadt oder überhaupt unter Gesunden aufhalten.
    Erika war vollkommen durcheinander. Sie wusste überhaupt nicht mehr, was sie denken sollte. Bis zum gestrigen Tag hatte sie immer die Hoffnung gehabt, dass ihr Mann zu ihr zurückkehren würde und sie wieder als Familie zusammenfanden, sobald sie ihn fand. Dass dies nun nicht geschehen würde und sie ab jetzt allein ihr Leben weiterführen musste, dazu noch mit einem Mann in der Ferne, der noch nicht tot war, aber auch nicht mehr im wirklichen Leben stand – diese Tatsache überforderte sie.
    Als Erika wenige Stunden später das Boot bestieg, fühlte sie sich leer. Wie in Trance sah sie zu, wie Batavia und das Flussufer sich entfernten.
    Die Rückfahrt in die Stadt verbrachte Erika wie benommen. Stunde um Stunde saß sie auf der hölzernen Bank und starrte auf das Wasser. Selbst wenn ein Regenguss kam, verließ sie diesen Platz nicht. Kapitän Parono schien Mitleid mit der Frau zu haben, die nun tatsächlich ihren Mann verloren hatte. Schweigend brachte er ihr eine zerschlissene Decke und legte sie ihr, als sie nicht auf seine Anwesenheit reagierte, um die Schultern.
    Erika war in Gedanken weit weg. Sie dachte an ihr früheres Leben mit Reinhard, dachte an Deutschland und ging noch einmal die vielen Szenen ihrer Reise nach Surinam durch. Manchmal lachte sie still oder vergoss einige Tränen. Innerlich drohte der Verlust sie zu zerreißen. Was sollte sie jetzt tun? Jetzt war sie allein mit Reiner ... und Hanni. Wenn sie wirklich nach Europa zurückkehren wollte, brauchte sie Geld. In der Mission würde sie es nicht verdienen können, vielleicht sollte sie wieder als Hauslehrerin ... aber der Gedanke an ihre Erfahrungen bei den van Drags ließ sie erschaudern. Sie wusste nicht, was sie tun würde, sie wusste es einfach nicht. Insgeheim hoffte sie, diese Bootsfahrt würde nie zu Ende gehen.
    Drei Tage später trat Parono an sie heran: »Mevrouw? ... Mevrouw! Ich möchte Sie nicht stören, aber ... wir werden heute Mittag in Paramaribo ankommen. Würden Sie vielleicht dann ... es ist besser, wenn Sie erst das Schiff verlassen, wenn es dunkel ist.«
    Erika nickte nur.
    Als die ersten Häuser in Sicht kamen, zog Erika sich in den Deckaufbau zurück. Parono nickte ihr kurz zu und konzentrierte sich dann wieder auf das Steuer.
    Kurze Zeit später vertäute er sein »altes Mädchen« am Anleger, kam noch einmal zurück zu Erika und zog seine Mütze vom Kopf. »Mevrouw, wir sind jetzt da«, sagte er sanft.
    Erika überreichte ihm den kleinen Beutel mit Geld. Sie wusste nicht, wie viel darin war, aber Juliette würde schon dafür gesorgt haben, dass es ausreichte.
    Er schaute kurz in den Beutel und nickte dann. »Danke. Ich werde schon mal das Schiff verlassen ... meine Familie wartet.« Erika nickte. »Sie werden dann bitte ...«
    »Ja, ich werde erst von Bord gehen, wenn es dunkel ist. Danke, Kapitän Parono. Und keine Sorge: Diese Reise bleibt unter uns.«
    Er schenkte ihr ein dankbares Lächeln und steckte den kleinen Beutel ein.
    »Ein guter Mann«, dachte Erika, während sie auf den Einbruch der Dunkelheit wartete.
    Erika wanderte noch in der Nacht bis zur

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