Im Land der Orangenbluten
bald. Aber ich will erst abwarten, bis bei Suzanna wieder alles in geordneten Bahnen läuft. Ich könnte nicht mit der Gewissheit leben, dass sie und ihre Kinder in Armut leben müssen, nur weil Karl nicht für sie vorgesorgt hat!«
Suzanna ging es stetig besser. Am nächsten und auch am übernächsten Tag ließ Julie sich von Foni allerlei Leckereien aus der Küche des Stadthauses zusammenpacken und nahm sie mit in Suzannas Haus. Minou erwartete sie bereits aufgeregt an der Tür und steckte sofort ihre Nase in den Korb.
Suzanna saß in der Küche, als Julie hereinkam. Heute würde sie mit ihr reden.
»Sie sollten das Kind nicht zu sehr verwöhnen. Wir können nicht ... und wenn Sie dann nicht mehr kommen, wird Minou enttäuscht sein«, sagte Suzanna und blickte ihrer Tochter nachdenklich hinterher, als diese mit einer Hand voll Keksen glücklich die Küche verließ. Dann senkte sie den Blick. »Und wir brauchen keine Almosen.«
Julie setzte sich zu Suzanna an den Tisch. »Suzanna, ich bringe keine Almosen, ich bringe Ihnen etwas zu essen, da Sie krank waren und nicht selbst für sich und Ihr Kind sorgen konnten«, sagte sie eindringlich. »Im Übrigen mache ich das gern«, fügte sie leise hinzu.
»Warum?« Jetzt sah Suzanna Julie an. In ihrem Blick lag ehrliches Erstaunen. »Warum tun Sie das? Sie müssten doch böse auf mich sein.«
Julie lachte auf. »Suzanna! Ich? Ich bin noch nicht einmal vier Jahre in diesem Land. Sie hingegen ... Sie waren doch schon lange vor mir da, auch für Karl.« Sie verspürte nicht einmal Bitterkeit. »Seit wann, wenn ich fragen darf, kannten Sie Karl eigentlich?«
Ein bitteres Lächeln huschte über Suzannas Gesicht. »Ich bin die Tochter von Karls früherer Kinderfrau. Die Tochter einer Sklavin. Als ich geboren wurde, war Karl zehn Jahre alt. Ich gehörte ihm vom ersten Moment an. Meine Mutter starb, als ich zwölf war. Ich blieb bei der Familie Leevken.«
»Oh, und Ihr Vater?«
Suzanna schwieg einen Moment. Dann sprach sie leise weiter: »Wissen Sie, in diesem Land ... ich hatte keinen Vater. Meine Mutter gehörte dem Vater von Karl, der ... Sie verstehen?«
Suzanna war nicht nur schon immer Karls Sklavin gewesen, sondern mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit auch seine Halbschwester! Und ihre Kinder somit ... Julie schüttelte es bei dem Gedanken.
»Grundgütiger ...«, entfuhr es Julie. »Es tut mir leid! Ich wusste ja nicht ...« Sie war ehrlich entsetzt. Betroffen fügte sie hinzu: »Sie waren also schon ... sehr lange bei Karl.«
Suzanna zuckte nur mit den Achseln. »Ja, eigentlich schon immer. Das ist eben so in diesem Land.«
»Und die Kinder?«, Julie musste es genau wissen, »ich meine, ist Karl der Vater?«
Suzanna nickte. »Ja. Beide Kinder sind von Karl.«
Julie schwieg betroffen.
»Karl war übrigens sehr glücklich, als sie ihm einen Sohn geschenkt haben. Wobei ...«
»Wobei was?«
»Na ja, ich bin die letzten Jahre nicht mehr schwanger geworden. Es schien, als ob Karl nicht mehr ... Sie wissen schon. Dass Sie ihm noch einen Sohn geschenkt haben, hat ihn wirklich zufrieden gemacht. Mein Sohn hätte ihn ja nie beerben können.«
»Er hat mit Ihnen darüber geredet?« Das wiederum erstaunte Julie.
»Natürlich, er hat sehr viel von der Plantage geredet.«
Julie kam nicht umhin, diese Frau zu bewundern. Schließlich hatte sie ihr ganzes Leben an der Seite eines Mannes verbracht, für den sie doch nie das sein konnte, was andere Frauen waren. Hatte sie das überhaupt gewollt? Oder war ihre Beziehung zu Karl nur eine reine »Besitzangelegenheit« gewesen?
Jetzt, als Suzanna den Blick senkte und leise fragte: »Ich hörte ... es gab einen Unfall ... und da Karl nicht wiederkam ...«, wurde ihr bewusst, dass diese Frau wirklich etwas für ihn empfunden hatte.
»Ja, einen Unfall ...«, Julie wollte nicht darüber sprechen. »Hätte ich gewusst ... ich hätte Sie benachrichtigen lassen.« Wieder meldete sich das Gefühl der Schuld, das sie so häufig überkam.
Julie kämpfte immer noch mit dem schlechten Gewissen, Martina den Vater genommen zu haben, aber jetzt wurde ihr bewusst, dass sie eine ganze Familie zerstört hatte. Es war Notwehr! Reine Notwehr, versuchte sie sich zu beruhigen.
»Hat Karl Ihnen ... ich meine, hat er Sie irgendwie abgesichert?«, fragte sie vorsichtig.
Suzanna lachte leise auf. »Nein.«
»Und das Haus hier? Gehört es Ihnen?«
»Nein, es gehört zur Plantage. Und Karls Schwiegersohn ... Ihr Schwiegersohn hat mich schon
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