Im Land der Orangenbluten
benachrichtigen lassen, dass das Haus bald nicht mehr tragbar sei für die Plantage. Ich soll mich schon mal umsehen.«
»Was hat er?« Julie fuhr hoch. Das sah Pieter ähnlich. »Er kann Sie und die Kinder doch nicht auf die Straße setzen! Ich meine, irgendwie sind wir ja alle ... sind Sie mit Martina ...«
Suzanna winkte ab. »So was zählt hier nicht, verwandt ist man nur, wenn man auch die gleiche Hautfarbe hat.« In ihrer Stimme lag nicht einmal Bitterkeit.
Julie wusste, dass Suzanna recht hatte. Kein Weißer würde zugeben, dass es Abkömmlinge aus gemischtfarbigen Beziehungen gab. Die unfreiwilligen Nachkommen boten sich als Arbeitskräfte an, und die freigekauften Gespielinnen versorgte man eben unter der Hand mit. Aber sich öffentlich dazu bekennen? Nie!
Julie hatte vom Fall eines jungen Mannes gehört, der vor ein paar Jahren gewagt hatte, um die Rechte seiner farbigen Frau zu kämpfen. Nach Monaten der gesellschaftlichen Ächtung und Demütigungen war er mit ihr nach Europa abgereist. Und Julie war sich sicher, dass man in Europa toleranter war als in dieser kleinen Kolonie. Oder besser gesagt: In Europa gab es keine Sklaverei mehr.
Sie war fest entschlossen, Suzanna zu helfen. »Machen Sie sich keine Sorgen, noch habe ich auf der Plantage ein Wort mitzureden.«
Das war zwar gelogen, Julie war von Pieter regelrecht entmündigt worden. Aber jetzt, wo es nicht mehr nur um sie und Henry ging, sondern auch um Suzanna und ihre Kinder, spürte Julie neuen Mut, es mit Pieter aufzunehmen. Sie musste die Plantage aus seiner Hand retten. Und dazu brauchte sie Jean. Sie würde ihn finden.
Kapitel 8
Es war unerträglich schwül. Selbst Kiri schwitzte, was ungewöhnlich war, kam sie doch mit dem Klima prima aus und verstand nicht, warum sich die Weißen damit so schwertaten. Vielleicht lag es an der Schwangerschaft. Inzwischen ließ die sich nicht mehr verleugnen, Kiri hatte das Gefühl, tagtäglich etwas runder zu werden.
Auch Masra Henry litt unter der Hitze. Kiri hatte den kleinen Jungen schon fast gänzlich entkleidet. Misi Martina hatte sich darüber aufgeregt und Kiri angeherrscht, dem Kind sein Jäckchen wieder anzuziehen. Amru hatte mit dem Kopf geschüttelt und Kiri angeleitet, mit Masra Henry ins Dorf hinüber zu gehen. »Und zieh ihn bloß nicht wieder an!«, hatte sie geflüstert.
Masra Martin hingegen lief seit einigen Tagen mit hochrotem Kopf umher, weil Misi Martina ihn trotz des Wetters in Hemdchen und Jacke steckte, er schwankte manchmal schon verdächtig ob der schwülen Luft.
Amru hatte Misi Martina geraten, es dem Kind auch etwas leichter zu machen, aber die hatte nur böse geantwortet: »Ich kann ihn ja schlecht wie ein Negerkind umherlaufen lassen.«
Dass Masra Pieter dazu nichts sagte, er als Arzt musste doch wissen, wie schlecht die warme Kleidung bei dem Wetter war, ärgerte Amru umso mehr. Überhaupt war die Haussklavin immer häufiger mit übler Laune anzutreffen. Früher hatte Amru hier das Zepter in der Hand gehabt. Auch wenn Masra Karl oft nicht einfach gewesen war, so hatte er doch Amru den Vorstand des Haushaltes überlassen. Misi Martina hingegen versuchte seit einiger Zeit, Amru hineinzureden. Ihr Mann beschwor sie immer wieder, sich endlich gegen das »Negerpack« durchzusetzen.
Auch im Sklavendorf war die Stimmung bedrückt. Das Klima schürte das Fieber, und die ersten Männer lagen danieder. Masra Pieter hatte sich sehr aufgeregt, dass wieder Arbeitskräfte ausfielen, und dann angekündigt, etwas dagegen zu unternehmen. Seine erste Anweisung an die Basyas hatte natürlich darin bestanden, die Männer mit der Peitsche von ihren Lagern zu treiben. Das ging aber nur einige Tage gut, bis die ersten von den Feldern heimgetragen werden mussten. Sie brachen, mit ihrer Machete in der Hand, einfach zusammen. Sie waren wirklich krank, und nach einer Woche starb der erste Mann im Fieberwahn.
Amru und Jenk taten ihr Bestes, um im Dorf zu helfen. Jenk bereitete Tees und Heilsalben zu, und des Nachts schlichen der Medizinmann und die gesunden Sklaven in die Felder, um am Feuer die Geister um Hilfe zu bitten. Aber es war ein schlechtes Jahr. Das Wetter wurde nicht besser, kaum ein Lüftchen regte sich, und die schwüle Luft hielt sich Tag und Nacht zwischen den Hütten.
Als die ersten Kinder krank wurden, schlug Amru Alarm. Sie wagte sich zu Misi Martina. Die saß mit den Kindern auf der Veranda, Kiri hockte auf einer Matte daneben. »Geben Sie den Sklaven wenigstens eine etwas
Weitere Kostenlose Bücher