Im Land der Orangenbluten
Erika.
»Erika?« Julie war nicht minder verwundert. »Geht es Kiri gut?«
»Juliette, du bist wieder da?« Erika machte einen Schritt beiseite. Kiri lag auf ihrer Schlafmatte, sie war auf einige Kissen gebettet und sah verschwitzt und erschöpft aus. »Kiri geht es gut.«
Jetzt bemerkte auch Kiri, dass Julie im Raum war. »O Misi! Gut, dass die Misi da ist. Ich kann aber gerade ...«, eine Wehe raubte ihr die Kraft für Worte.
Julie trat an das Lager ihrer Leibsklavin. »Ich glaube, du hast gerade Wichtigeres zu tun!« Sie lächelte Kiri an.
»Kiri geht es gut, es dauert aber noch etwas«, erklärte Erika.
Julie blickte ihre Freundin ernst an. »Was macht ihr denn alle hier? Du? Kiri, Liv, die Kinder und Martina?«, flüsterte sie.
»Komm mit!« Erika nickte Foni zu, die sofort Erikas Platz an Kiris Seite einnahm, und schob Julie aus der Hütte.
Draußen wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und stutzte kurz über die Hühnerkäfige, die Hedam gerade von der Straße durch die Sklavenpforte in den Hinterhof trug.
»Schön, dass du wieder da bist, Juliette.« Ihre Stimme klang erleichtert. »Hast du Jean gefunden?«, fügte sie vorsichtig hinzu.
»Ja«, Julie lächelte, »er ist im Haus und macht sich gerade mit Henry bekannt.«
»Das freut mich für euch!« Julie spürte die Freude hinter den Worten ihrer Freundin, aber da war noch etwas anderes in ihrer Stimme, das ihr sagte, dass Erika irgendetwas belastete.
»Lass uns reingehen, Juliette. Ich muss sowieso Suzanna ablösen.«
»Suzanna? Suzanna ist auch hier?«
»Komm mit rein, ich erkläre es dir drinnen«, sagte Erika nur und lief zum Haus.
In der Küche goss sich Erika wie selbstverständlich ein Glas Wasser aus einem Krug ein und füllte dann eines für Julie. »Komm, setz dich.« Erika faltete die Hände auf der Tischplatte und begann zu erzählen. »Also ... hier ist einiges passiert in den letzten zwei Wochen. Kurz nach deiner Abreise kamen Kiri und Liv mit Martina und den Kindern hierher. Martina wollte unbedingt in die Stadt, zu dir! Sie hatte Angst um sich und die Kinder auf der Plantage.«
»Angst?« Julie wusste, dass das nur einen Grund haben konnte. »Pieter!«, fauchte sie.
Erika nickte. »Juliette, Martina ist schwer krank, sie hat seit Wochen hohes Fieber, und Klara sagt ... wir glauben ...« Erika senkte betroffen den Blick.
»Oh.« Julie war erschüttert. »Ist sie ... ich meine, kann ich zu ihr?«
Erika nickte. »Ja, komm. Wir gehen hinauf.«
An Martinas Bett saß Suzanna mit einer Schüssel Wasser auf dem Schoß und betupfte damit unablässig Martinas Gesicht und Arme.
»Suzanna!«, flüsterte Julie.
Suzanna blickte überrascht auf, dann legte sie den Lappen beiseite und stellte die Schüssel ab. Sie stand auf und trat an Julie heran. »Gut, dass Sie wieder da sind!«, sagte sie erleichtert. Mit einem Blick auf Martina fügte sie jedoch mit besorgter Stimme hinzu: »Misi Martina geht es nicht gut. Sie erlangt nur noch selten das Bewusstsein, und wenn ... dann fragt sie nach Ihnen. Ich hatte gehofft, dass Sie noch rechtzeitig kommen.« Suzanna senkte betroffen den Blick.
Julie war erschüttert. Das schlechte Gewissen, die Plantage verlassen und damit offensichtlich die Menschen im Stich gelassen zu haben, erdrückte sie fast. Was war dort nur passiert? Sie schenkte der Frau einen dankbaren Blick. »Danke, Suzanna. Kann ich ...?«
»Ja, natürlich. Gehen Sie nur zu ihr.« Suzanna wies auf den Stuhl neben Martinas Bett.
»Kommen Sie, wir beide gehen nach unten, Sie sollten auch etwas trinken«, sagte Erika, während sie Suzanna aus dem Zimmer bugsierte.
Julie wunderte sich kurz über den vertrauten Ton, den hier alle untereinander anschlugen. Dann setzte sie sich neben das Bett ihrer Stieftochter und nahm deren Hand, die sich trotz des Fiebers eiskalt anfühlte. »Martina?«, flüsterte sie sanft.
Martina zeigte keine Reaktion.
Schweigend saß Julie da. Wäre sie doch nur auf der Plantage geblieben! Vielleicht wäre es mit Martina nicht so weit gekommen. Was war nur vorgefallen, dass Martina es vorzog, in diesem Zustand mit den Kindern in die Stadt zu flüchten?
Martina erwachte während Julies Wache nicht aus ihrem Fieberschlaf. Als Suzanna einige Zeit später wiederkam, sah Julie zunächst nach Kiri. Die Leibsklavin lag in den Wehen, aber die Geburt ging nur zögerlich voran, und Erika war sich sicher, dass es noch dauern würde. Julie kehrte ins Haus zurück. Sie musste unbedingt erfahren, was passiert war,
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