Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
Vom Netzwerk:
zwei Jahrhunderten von Europa als Kolonie genutzt. Die Engländer legten die kolonialen Grundsteine, die Niederlande übernahmen das Land, um es noch zweimal an die Engländer abzutreten. Erst 1814 kamen die Niederlande wieder in den Besitz der Kolonie. Durch den Anbau von Zuckerrohr, Kaffee, Kakao und Baumwolle wurde Surinam zu einem wichtigen Lieferanten für Europa.«
    Wim lieferte eifrig weitere Fakten und Zahlen, die für Julie allerdings nicht besonders hilfreich waren, wenn es um die Frage ihres zukünftigen Lebens dort ging.
    Die Schneiderin schien begeistert. »Ich habe schon so häufig gehört, dass die jungen Herren aus der Kolonie sich bestens geben. Und die Kultur dort soll auch sehr durch das Englische geprägt sein. Wären diese Inder nur nicht so gottlose Menschen!«
    »Inder?« Julie blickte verwundert auf die Schneiderin, die sich auf Knöchelhöhe an dem Kleid zu schaffen machte. »Ich gehe nicht nach Indien«, sagte sie und unterdrückte nur mühsam ein Lachen.
    »Aber Kindchen, wohin denn dann?«, fragte die Schneiderin verblüfft.
    »Nach Surinam, das liegt auf dem südamerikanischen Kontinent.«
    »Surinam? Aber ist das nicht dieses fürchterliche Land mit den vielen Wilden? Oh ... Entschuldigung.« Der Schneiderin war ihre unpassende Bemerkung sichtlich peinlich. Hektisch versuchte sie, die Situation zu retten: »Sie müssen wissen, mein Bruder fährt zur See. Da erzählt er natürlich ab und an gerne einen Schwank aus fernen Landen.« Die Frau richtete sich auf und betrachtete ihr Werk.
    Julie hingegen nahm ihr die Ehrlichkeit nicht übel. Sie war neugierig geworden. Endlich einmal jemand, der dieses Land kannte und nicht nur fragend das Gesicht verzog, wenn er den Namen hörte.
    »Was erzählt denn Ihr Bruder über Surinam?« Die Schneiderin betrachtete das Mädchen mit einem nachdenklichen Blick. Schnell fügte Julie hinzu: »Mein Zukünftiger redet natürlich von nichts anderem, aber ich finde es immer wieder aufregend, Geschichten aus meiner neuen Heimat zu hören.« Julie wurde ob dieser kleinen Schwindelei ein bisschen rot. In Wirklichkeit redete Karl Leevken überhaupt nicht mehr mit ihr, seit die Termine für Hochzeit und Reise abgesprochen worden waren. Nun war das sicher keine böse Absicht, schließlich hatten Julie und Karl bislang ja kaum eine ruhige Minute miteinander verbringen und erst recht kein Gespräch führen können. Julie schob das auf die ständige Anwesenheit ihrer Tante bei Karls seltenen Besuchen, trotz aller Eile sollte die Schicklichkeit ja gewahrt werden. Außerdem hatte ihr künftiger Gatte natürlich einen randvollen Terminplan, die letzten Tage in Europa mussten geschäftlich genutzt werden. Aber trotzdem war sie enttäuscht. Karl musste doch klar sein, wie viele Fragen ihr auf der Seele brannten. Warum machte er sich nicht die Mühe, sie anzuhören, geschweige denn, sie zu beantworten?
    »Nun ja ...« Die Schneiderin zögerte einen Moment. »Wissen Sie, mein Bruder ist ja auch nur einfacher Matrose, er verkehrt ja gar nicht in der Gesellschaft«, sagte sie schließlich zögerlich. »Nur ... also, er erzählte mir einmal, dass dieses Land ein ganz außergewöhnliches Klima hat, in dem ... in dem es dem Negervolk wohl um einiges besser geht als den Weißen. Und Neger gibt es da sehr viele.«
    Julie lachte. Ja, das hatte auch Karl erzählt, aber diese Menschen waren Plantagenarbeiter und Dienstboten, wie Aiku, der Karl auf Schritt und Tritt folgte.
    »Nun, und mein Bruder ... er erzählte, dass es dort wohl auch ab und zu Probleme mit aufsässigen Negern gibt. Sie hatten oft Soldaten an Bord, die dorthin fuhren, um ... um das unter Kontrolle zu bringen. Aber das wird Sie und Ihren Mann sicher nicht betreffen.« Sie nickte wie zur Bestätigung mit dem Kopf. »Und es soll auch schöne Dinge geben da, viele wohlschmeckende Früchte. Joost, mein Bruder, sagte, die Seeleute seien immer ganz begeistert, nach so langer Fahrt endlich wieder frische Kost zu bekommen.«
    Die Überfahrt! Darüber hatte Karl noch gar nicht mit ihr gesprochen.
    »Wie lange ist Ihr Bruder denn da immer auf See?« Julie hoffte, dass die Schneiderin die Angst in ihrer Stimme nicht bemerkt hatte.
    Die jedoch überlegte konzentriert. »Sie meinen nach Surinam? Hin und zurück?«
    »Nur hin«, sagte Julie leise, während ihr die Bedeutung dieser Worte zum ersten Mal richtig bewusst wurde.
    »Oh – das dauert schon eine Weile, bis man dort ist. Mit den modernen Schiffen soll es aber wohl

Weitere Kostenlose Bücher