Im Land der Orangenbluten
nach Abenteuer. »Juliette Leevken, Herrin über die Plantage Rozenburg.« Das Gefühl, einmal selbst eine Entscheidung getroffen zu haben, und, wie ihr schien, nicht mal die schlechteste, beflügelte sie. Vielleicht waren ihre beiden Cousinen aber auch einfach nur neidisch, dass sie jetzt zuerst heiraten würde.
Entschlossen stand Julie auf und kontrollierte nochmals ihr Kleid. Sie wollte gut aussehen heute, überwältigend ... nicht dass Karl es sich noch einmal anders überlegte! Sie würde genau in diesem Moment das etwas blasse Internatsmädchen ablegen und endlich erwachsen werden. Bei dem Gedanken, Karl gleich wieder zu treffen, klopfte ihr das Herz bis zum Hals. Schnell tupfte sie sich nochmals etwas Puder um die Nase und machte sich dann auf den Weg nach unten.
»Es freut mich außerordentlich, Juliette.« Karl küsste Julie zur Begrüßung die Hand und wisperte ihr einige Worte zu, wobei nur der verschwörerische Tonfall erraten ließ, dass sie mehr als eine Höflichkeitsfloskel enthielten. Julie verspürte sogleich erneut das aufregende Prickeln, während Margret und Wilhelm Vandenberg den Gast zu Tisch baten. Man hatte ihn neben Julie platziert, und sie zitterte ein wenig, als er seine Hand beiläufig auf ihren Unterarm legte. Der Abdruck brannte heiß auf ihrer Haut. Warum nur geriet sie so völlig außer sich, wenn er in ihrer Nähe war?
Julie musste sich sehr anstrengen, dem Gespräch bei Tisch zu folgen.
Wim schien etwas verwundert über diese Zusammenkunft und machte ein überraschtes Gesicht, als sein Vater ihm den Anlass verkündete. Julie wich seinem fragenden Blick aus und konzentrierte sich auf Karl.
»Mijnheer Leevken«, Margret legte ihre Serviette zusammen und beschloss damit, dass es Zeit war, über die wesentlichen Dinge zu sprechen. »Wann gedenken Sie denn nun abzureisen? Es geht mir bei meiner Frage ausschließlich um einen Überblick über den zeitlichen Rahmen.«
»Das Schiff wird am 28. Januar auslaufen. Ich habe mir erlaubt, bereits eine passende Unterbringung für uns beide zu reservieren.«
Julie wusste zwar, dass es alsbald auf Reisen gehen würde, gleich nach ... nach der Hochzeit. Aber so schnell? Am 28. Januar? Heute war bereits der neunte!
»Gut, ich denke, die Eheschließung sollte um den zweiundzwanzigsten erfolgen. So können wir noch das Aufgebot bestellen und die nötige Frist einhalten.« Karl Leevken schien seine Termine im Kopf zu haben. »Und danach bleibt ausreichend Zeit, die Reise vorzubereiten. Ich werde alles Nötige veranlassen.«
Margret sah kurz zu Julie herüber und verspürte fast so etwas wie Mitleid. Merkte ihre Nichte nicht, wie hier über ihre Hochzeit gesprochen wurde, als ginge es um Verzollung und Verschiffung einer Handelsware?
Julie nickte nur kurz. In ihrem Blick schien für einen Moment Furcht aufzuflackern, aber als sie ihre Augen auf Karl richtete, strahlte sie wieder.
Margrets Mitleidsanwandlung erlosch. Sollte das Mädchen doch blauäugig in sein Verderben tappen. Dass dieser Mann sie nicht liebte, war allzu offensichtlich.
Kapitel 7
Das Kleid war wunderschön. Julie mochte sich in dem fließenden Gewand nur zaghaft bewegen, fühlte es sich doch so leicht an, als wäre sie unbekleidet.
Zuvor hatte sie zarte seidene Unterwäsche angelegt, mit Spitzen besetzt, passend zum Kleid darüber. Bisher hatte Julie an hübsche Unterbekleidung nie einen Gedanken verschwendet. Wozu auch? Aber jetzt würde sie sich bald vor einem Mann ... vor Karl ... auskleiden müssen ...
Vorsichtig drehte sie sich vor dem großen Spiegel. Die Schneiderin raffte den Stoff hier und da noch etwas und steckte die Ärmel auf die passende Länge.
»Wie aufregend!«, schwatzte sie dabei. »Sie heiraten nach Übersee?«
Julie gab nur ein knappes Ja von sich. Bisher war Surinam nur ein Luftschloss gewesen, aber jetzt, wo sie immer öfter darüber sprechen musste, nahm es langsam Gestalt an. Und auch ihre Angst wurde immer größer. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen? Dieses Land war so fern, so fremd.
Alles, was sie bisher über Surinam wusste, entstammte Karls knappen Schilderungen und den eher drögen Fakten, die Wim mit journalistischem Eifer zusammengestellt hatte. »Surinam liegt umringt von Britisch-Guayana, Brasilien und Französisch-Guayana an der Atlantikküste.« Wim hatte den kleinen Globus gedreht und mit dem Finger auf einen winzigen Fleck Land gezeigt, verschwindend klein im Vergleich zum restlichen amerikanischen Kontinent. »Es wird seit
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