Im Land der Orangenbluten
kurz ein aufmunterndes Lächeln, bis sie ebenfalls von einem Mann in der Schlange weitergeschoben wurde. »Nun geh, Erika, wir halten alle auf.«
Kapitel 9
Erika starrte erschrocken auf die fadenscheinigen Hängematten im Innern des Schiffsbauches. Dass die Reise in das ferne Surinam keine leichte werden würde, war ihr klar, doch dass sie die kommenden Wochen auf einer solch wackeligen Bettstatt verbringen sollte, damit hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte Strohsäcke oder harte Holzpritschen erwartet, damit hätte sie sich sogar anfreunden können. Aber diese wankenden Schlafplätze zwischen dem hölzernen Ständerwerk des Schiffsrumpfes, dicht an dicht ... bei Seegang stieß man da doch sicher aneinander ...
Ihren Mann Reinhard hingegen schien diese Art der Unterbringung nicht abzuschrecken. Geschickt kletterte er in eine der Matten, ließ die Beine über den Rand baumeln und schaute sie mit leuchtenden Augen an. »Schau, das ist ganz bequem!« Und wie zur Bestätigung setzte er die Matte in Schwingung, dass deren Seile ächzten.
Erika schüttelte den Kopf über seinen kindlichen Enthusiasmus. Reinhard war von Anfang an Feuer und Flamme gewesen, als in der kleinen evangelischen Herrnhuter Gemeine junge, kräftige Paare für die Missionsposten im Ausland gesucht wurden. Mit viel Eifer hatte er um einen Platz für sich und Erika geworben. Mit versonnenem Blick hatte er aus dem Fenster ihrer kleinen Kammer in das trübe deutsche Wetter hinausgeblickt und versucht, seine Frau von der Idee zu überzeugen. »Schau, wir können etwas von der Welt sehen und vielen Menschen das Glück von Gottes Wort näherbringen.«
Erika hatte sich nicht getraut, ihre Bedenken laut auszusprechen. Sicherlich war es auch ihr Anliegen, Gutes in der Welt zu tun und sich im Sinne des Herrn zu engagieren. Aber musste es denn gleich am anderen Ende der Welt sein? Surinam? Mit Indien hätte sie sich vielleicht noch anfreunden können, da gab es schließlich einige große Gemeinen der Herrnhuter. Aber in Surinam gab es, soweit sie wusste, nur eine kleine Mission, der ein riesiges Land mit vielen noch unchristlichen Bewohnern gegenüberstand.
Nach ihrer Hochzeit hatte Erika sich eigentlich auf ein geregeltes Familien- und Gemeineleben in Deutschland gefreut. Sie hatte Reinhards Idee für eine Schwärmerei gehalten und war erstaunt, dass er gleich einem Angebot in die Niederlande folgte, um dort auf einen Missionsposten zu warten. Aber er war nun einmal ihr Mann, den sie liebte und mit dem sie sich durchaus glücklich schätzte, also musste sie ihm auch folgen – egal wohin.
Ihre Besorgnis über das Missionsunterfangen war jedoch gewachsen, als sie in ihrer niederländischen Unterkunft einige Wochen später ein Gespräch zwischen Reinhard und Bruder Lutz, der einige Monate zuvor aus Surinam wiedergekehrt war, belauscht hatte. Eigentlich hegte sie ihrem Mann gegenüber ein gottgegebenes Vertrauen, aber als sie beim Servieren des Tees Bruchstücke des Gesprächs mitgehört hatte, hatte sie es sich nicht verkneifen können, nach dem Verlassen des Raumes ein wenig hinter der Tür zu verharren.
Bruder Lutz hatte von den desolaten Zuständen in Surinam berichtet, von Krankheiten und vom schwierigen Klima – viele Europäer starben oder kehrten nach kurzer Zeit schwer krank nach Europa zurück. Doch damit nicht genug, er sprach von Feindseligkeit gegenüber den Missionaren, sowohl seitens der Kolonisten als auch der Ureinwohner. Ganz zu schweigen von den schwierigen und aufmüpfigen Sklaven und Buschnegern. »Überlegt es Euch gut, Bruder Reinhard, ich meine, Ihr seid noch jung, und Eure Frau, sie ist ein zartes Geschöpf. Geht lieber irgendwo in Europa in eine Mission, auch dort muss Gottes Werk vollbracht werden.«
»Wollt Ihr mir etwa sagen, dieses Land würde die Mühe nicht wert sein, Gottes Wort zu hören?« Reinhards Stimme hatte fast empört geklungen. Er hatte sich mit Bruder Lutz getroffen, um möglichst viel über die neue Heimat herauszufinden; dass dieser ihm nun ohne Umschweife abriet, die Reise anzutreten, schien ihm ungeheuerlich. Die Herrnhuter hatten es sich schließlich zur Aufgabe gemacht, Gottes Worte in die Welt zu den Ungläubigen hinauszutragen.
»Nein, Bruder Reinhard, ich will nur nicht, dass Ihr sehenden Auges in Euer Verderben stürzt. Die Arbeit dort ist nicht vergleichbar mit Orten, die bereits eine gute Missionsstruktur aufgebaut haben. In Surinam ist man eher noch allein unterwegs.«
»Ein Kampf kann es mit
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