Im Land der Orangenbluten
Lappen organisiert, damit die schwarzen Männer sich zumindest ein wenig waschen konnten.
Einmal hatte sie Schwester Josefa mitgenommen, diese hatte sich beim Anblick der angeketteten Schwarzen aber bis ins Mark erschrocken und sich gleich wieder zurückgezogen. Erika vermutete, dass es Josefa in dem neuen Land nicht leicht haben würde.
Leicht schien es aber auch die junge Juliette Leevken nicht zu haben. Erika hatte sie noch einmal kurz an Deck getroffen, dabei hatte Juliette einen verängstigten Eindruck gemacht und versucht, ein blaues Auge unter ihrem breitkrämpigen Hut zu verstecken. Ihr Mann sei zurzeit etwas ungehalten und ihr sei es nicht möglich, Erika weiterhin Essen für die Sklaven zu übergeben.
Erika hatte die innere Not der jungen Frau gespürt. »Keine Sorge, ich kümmere mich schon irgendwie darum«, hatte sie ihr versprochen. Mit Nachdruck hatte sie den zwielichtigen Ferger tatsächlich dazu gebracht, den Sklaven eine etwas größere Ration zu bringen.
Gegen Ende der Reise wurde Erika zunehmend von Übelkeit geplagt. Ihr war bald klar, dass das nicht vom Seegang herrührte, schließlich hatte sie zu Anfang der Reise auch nicht darunter gelitten, und inzwischen war das Meer auch eher ruhig. Was sie sich vor der Reise noch sehnlichst gewünscht hatte, bereitetet ihr jetzt vielmehr Unbehagen: Sie erwartete ein Kind!
Ihr erstes Kind. Noch hatte sie Reinhard nichts davon erzählt. Erika wollte ihn mit der freudigen Nachricht in der neuen Heimat überraschen. Zumal sie sich selbst noch nicht ganz sicher war, ob sie sich überhaupt auf das Kind freuen konnte. Wieder ein Gedanke des Zweifelns. Bereits jetzt lastete ihr Gewissen schwer auf ihr, dass sie das Kind nicht so annahm, wie es sich gebührte.
In Europa, im Schutz der Herrnhuter Gemeine, bei ihren Glaubensbrüdern und -schwestern wäre sie frohen Mutes gewesen. Kinder waren ein Segen. Aber jetzt, in einem fremden Land, in dem viele neue Umstände auf sie zukamen und sie noch gar nicht so recht wusste, was sie dort erwartete, bereitete ihr das Wissen, in einigen Monaten auch noch ein Kind versorgen zu müssen, große Sorge.
Bange wurde Erika bei dem Gedanken an die zahlreichen schrecklichen Krankheiten, die in den Tropen lauerten. Würde sie gesund bleiben? Würde Reinhard gesund bleiben? Und vor allem: Würde dem Kind nichts geschehen? Sie wusste nicht einmal, wo und wie sie in den kommenden Monaten unterkommen würden. Ihre Freude über die Schwangerschaft war eher getrübt. Die Gesamtsituation auf ihrem Deck tat ihr Übriges, dass Erika sich unwohler fühlte denn je. Die Holzfäller wurden durch das lange Eingepferchtsein mürrisch und streitlustig und legten sich immer öfter mit Bruder Walter und Reinhard an. Wobei ihr Mann stets versuchte zu beschwichtigen, Bruder Walter hingegen den Groll der Männer mit Bibelzitaten nur noch mehr anstachelte. Auch hier war Erika nicht wohl beim Gedanken an die Zukunft. Wenn Bruder Walter weiterhin so kompromisslos auftrat, würde er in der Kolonie keine fruchtbare Arbeit leisten können. Alles in allem war die Lage angespannt und gereizt. Wenn sie doch endlich ankommen würden.
Kapitel 17
Julie spähte sehnsüchtig zum Horizont. Bald sollte Land in Sicht kommen. Trotz des angenehmen Seewindes spürte sie, wie das Klima sich jetzt deutlich verändert hatte. Die Reise hatte sie vom kalten niederländischen Winter durch eine frühlingshafte Zone geführt, bis hierher, wo es so warm war wie nur selten in den niederländischen Sommern. Kichernd hatten die anderen Frauen Julie bereits Ratschläge gegeben, wie man sich das Leben unter tropischer Hitze etwas erträglicher gestalten konnte. Julie errötete, als ihr bewusst wurde, dass die meisten Ratschläge sich auf die Unterbekleidung bezogen. Sie konnte doch nicht ... nein! Wenn das jemand bemerkte!
Sie sehnte sich nach festem Boden unter den Füßen. Allmählich hatte sie keine Lust mehr, sich das Geschwätz der anderen Frauen auf dem Oberdeck anzuhören. Es drehte sich immer eintönig um die gleichen Themen: Haushalt, Kinder, Sklaven. Wilma zeigte sich auch nicht mehr ganz so redselig wie zuvor. Und Erika ... aber seit Karl ... Sie hatte mit Erika nur noch einmal kurz in Angst und Eile gesprochen und ihr manchmal über das Deck zugewunken. Dann hatte Julie es vorgezogen, keine Aufmerksamkeit mehr zu erregen und sich vom vorderen Deckbereich ferngehalten.
»Keine Sorge, Juliette, ich kümmere mich schon weiter um Aiku«, hatte Erika ihr versprochen
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