Im Land der Orangenbluten
Ihrer Früchte?« Der Soldat hob triumphierend die Orange in die Luft. Der Mulatte zuckte nur die Achseln und begann, den Wagen wegzuschieben.
»Ich habe nichts getan! Die Orange lag auf der Straße«, stammelte Kiri leise in der Sklavensprache. Schließlich durften die Sklaven kein Niederländisch sprechen, mussten es aber verstehen, denn natürlich ließ sich kein Weißer dazu herab, ihre Sprache außer zu Befehlszwecken zu benutzen.
»Still!« Der Soldat ärgerte sich sichtlich, Kiri nicht dieser Tat überführen zu können. »Na, warte«, raunte er, »so leicht kommst du mir nicht davon, es ist doch klar, dass du eine Diebin bist. Negerpack, verdammtes! Mal sehen, was der Kommandant dazu sagt.« Der Mann zog das Mädchen barsch am Arm hinter sich her. Hilfesuchend sah Kiri sich um, aber keiner der Menschen beachtete sie und den Soldaten.
Als sie über die Hafenstraße gingen, trat ihnen ein weißer Mann entgegen. Er war ein grobschlächtiger hünenhafter Kerl mit wässrigen Augen und einer großen roten Nase. »Michels! Wohin denn so eilig?« Der Mann baute sich breitbeinig vor dem Soldaten auf. »Was haste denn da eingefangen?«
Kiris Fänger zuckte merklich zusammen, auf seinem Gesicht zeigten sich Spuren von Angst.
Neugierig beäugte der weiße Mann Kiri. »Stehst du jetzt schon auf die ganz Jungen, Michels?«
»Nein, die hab ich grad beim Klauen erwischt. Geh mir aus dem Weg, Bakker.«
»Na, mal nicht so hastig ... mir ist so, als hättest du bei mir noch eine kleine Rechnung offen. Vielleicht sollte ich mal mit deinem Kommandanten reden, vielleicht bezahlt er ja deine Spielschulden.« Der Mann lachte heiser und drohend.
Dem Soldaten war sichtlich unwohl in seiner Haut, Schweißperlen traten auf seine Stirn. »Ich habe jetzt kein Geld dabei, da wirst du noch warten müssen.« Er versuchte, sich an dem anderen Mann vorbeizuschieben.
»Michels! Ich lass mich nicht gerne hinhalten.« Der Mann knurrte den Soldaten an, blickte dann aber nochmals auf Kiri. »Vielleicht würde ich mich aber mit einem kleinen Pfand zunächst zufriedengeben ... beim Klauen sagst du ... ist wohl herrenlos, das kleine Ding?«
Der Soldat schien schnell seine Möglichkeiten abzuwägen und zuckte dann die Achseln. »Nimm sie, hier.« Er schob Kiri vor sich. »Frag mich nicht, wem sie gehört. Und wenn mich jemand fragt, ich weiß von nichts!« Mit diesen Worten stieß er Kiri in die Richtung des anderen Mannes.
»He ...?« Bevor Bakker etwas erwidern konnte, war der Soldat bereits davongeeilt. Kiri dachte einen kurzen Moment ans Weglaufen, doch bevor ihre Füße gehorchten, packte Bakker sie unsanft im Nacken. »Wie nett, wie nett ... na, dann komm mal mit.« Er schien sich über sein Pfand zu freuen, wenn auch auf eine Art, die Kiri gar nicht behagte. Bakker schleppte sie in einen dreckigen Hinterhof und wollte sie gerade durch die Tür eines Holzverschlages stoßen, als Kiri sich mit einer flinken Bewegung losriss und weglief, so schnell sie konnte. Nach wenigen Schritten hatte der Mann sie jedoch eingeholt. Er packte sie unsanft bei den Haaren. »Du bleibst schön hier, so ein junges Ding bringt mir ein schönes Sümmchen.« Während er sie mit der einen Hand an den Haaren hielt, zog er sich mit der anderen Hand den Gürtel aus seiner Hose. »Und damit du gleich weißt, wem du hier zu gehorchen hast ...«
Schon traf sie der erste Schlag auf den Rücken, und sie ging vor Schmerz in die Knie. Einige Schläge später spürte Kiri die Pein schon fast nicht mehr. Zusammengekauert lag sie auf dem schmutzigen Boden des Hinterhofes. Dann ließ der Mann endlich von ihr ab. Barsch zog er sie auf die Beine und stieß sie in den Holzverschlag. Knallend fiel die Tür hinter dem Mädchen zu. Taumelnd ließ es sich in einer Ecke auf die Knie fallen und stöhnte leise.
»Na, da hat Bakker ja wieder Frischfleisch gefunden«, hörte sie eine tiefe, leise Männerstimme aus dem Dunkeln. Eine andere, wohl eher die einer Frau, fügte hinzu: »Das ist ja fast noch ein Kind! Das arme Ding, schau, wie er es zugerichtet hat.« Schwarze Hände tauchten aus dem Dunkeln auf und richteten Kiri etwas auf. Aus einer Kalebasse flößte man ihr fades Wasser ein. Kiri wollte sich bedanken, brachte aber keinen Ton über die Lippen. Erschöpft und voller Schmerzen ließ sie sich bäuchlings auf den Boden sinken.
Sie wusste nicht, wie lange sie dort gelegen hatte, irgendwann erwachten ihre Sinne wieder. Vorsichtig schaute sie sich aus den Augenwinkeln heraus
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