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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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gereizte Stimmung, die in den letzten Wochen auf dem Schiff geherrscht hatte, verwandelte sich in ein aufgeregtes Durcheinander.
    Als der Hafen in Sicht kam, war Julie erneut verwundert. Sie hatte einen richtigen Hafen wie in Amsterdam erwartet. Der von Surinams Hauptstadt Paramaribo war aber kaum als solcher auszumachen, es war eher eine natürliche Bucht. Einige große Schiffe ankerten in der Flussmitte, und überall dazwischen wimmelte es von kleinen Booten. Korjale, erinnerte sie sich, so hatte Karl diese kleinen Boote genannt. Schwarze Männer saßen in diesen Nussschalen und stießen sie mit kräftigen Ruderschlägen durch das Wasser.
    Während Julie noch auf das bunte Treiben um das Schiff herum schaute, trat Karl an ihre Seite. »Willkommen in Surinam.« Er verschränkte die Arme und stützte sich auf die hölzerne Reling. Er schien guter Dinge.
    Und plötzlich wusste Julie, dass dies der richtige Zeitpunkt war. Seit ihrer Abfahrt hallten Wims Worte in ihrem Kopf und nagten bohrend an der Frage in ihr, warum Karl sie geheiratet hatte. Bestimmt nicht aus Liebe, da war sie sich inzwischen sicher. Sie hatte während der Reise gehofft, dass Wim sich getäuscht hätte, aber Karls Verhalten bestätigte immer mehr ihren Verdacht. Plötzlich spürte sie, dass sie Surinam nicht betreten wollte, ohne zuvor eine Antwort auf diese so entscheidende Frage bekommen zu haben.
    »Karl?« Sie zögerte. Zwar schien Karl heute bester Stimmung, aber das konnte sich schnell ändern, so gut kannte sie ihn inzwischen. Allerdings standen inzwischen etliche Passagiere an Bord, da würde er wohl kaum ... »Hast du mich nur wegen meines Erbes geheiratet?« Nun war es raus, und Julie wich unwillkürlich ein Stück vor ihm zurück.
    Karl aber gab nur ein süffisantes Lachen von sich und antwortete, ohne sie dabei anzusehen. »Juliette, es wäre doch schade gewesen, so ein hübsches Ding wie dich im Kloster zu wissen. Sei mir eine gute Frau, und du bekommst alles, was du brauchst.« Dann schaute er sie kurz an, und dieser Blick, aus dem bloßes Kalkül sprach, gab Julie die Gewissheit. Sie war in eine Falle getappt. Der Schiffsboden wankte unter ihren Füßen, aber sie fiel nicht.

De verre kust
Ferne Küsten
    Surinam 1859
Paramaribo, Plantage Rozenburg

Kapitel 1
    Julies erste Schritte in der neuen Heimat waren wackelig und unsicher. Als sie am späten Nachmittag endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, fiel es ihrem Körper zunächst schwer, sich an die Situation zu gewöhnen. Sie schwankte beständig wie auf See und konzentrierte sich allein darauf, die Füße halbwegs nebeneinanderzusetzen. Karl schien es nicht so zu ergehen. Mit schnellen Schritten entfernte er sich von der Landungsbrücke.
    Julie war froh, als plötzlich Aiku neben ihr auftauchte. Der Sklave schien die lange Überfahrt unversehrt überstanden zu haben, er war nun bekleidet, wenn auch spärlich, und bedachte Julie mit einem kurzen Blick, bevor er sofort pflichtbewusst nach ihrem Kleingepäck griff. In seinen Augen lag Dankbarkeit. Doch der Moment war schnell vorbei, dann zog er sich ein paar Schritte zurück.
    »Kindchen, ich wünsche Ihnen alles Gute!« Wilma schloss Julie kurz in die Arme. »Wenn Sie einmal in der Stadt sind, lassen Sie es mich wissen.«
    »Wilma ... vielen Dank für alles!« Julie schmerzte es, sich von Wilma verabschieden zu müssen. Sie blickte der Frau wehmütig nach. Wilmas ehrliche Sorge um sie hatte Julie während der Überfahrt sehr berührt.
    Auch Erika kam, um Julie zu verabschieden. Ihre Gefühle standen ihr im Gesicht geschrieben. »Ich weiß nicht, ob wir in der Stadt bleiben, aber vielleicht sehen wir uns ja wieder ... Ich wünsche Ihnen viel Glück für Ihr neues Leben! Aiku, passen Sie gut auf Juliette auf!«
    Der Sklave nickte Erika bedeutungsvoll zu und legte seine rechte Hand auf sein Herz, wobei er sich etwas vorbeugte. Erika lächelte, bevor sie Julie kurz umarmte und dann schnell hinter ihrer Gruppe herlief, die sich bereits vom Hafen entfernte. Julie war zum Heulen zumute. Was waren das schon für Aussichten, in einem fremden Land, mit einem Mann, der sie gekauft hatte wie ... wie ...?
    Julie folgte Aiku verdrossen. Weiter vorne, mitten im Strom der Menschen, konnte sie Karl erkennen. Hätte er nicht wenigstens auf sie warten können?
    Als sie ihn endlich eingeholt hatten, wies er gerade zwei kräftige schwarze Burschen an, sich um das Gepäck zu kümmern.
    »Meine neue Frau«, sagte er kurz und deutete auf

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