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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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regelmäßigen Ausgang. Ganz zu schweigen von den neuen Öfen, die sie installieren ließ ... Ihr Handeln trug schon bald Früchte, schnell kamen wieder neue Schülerinnen hinzu. Unter ihnen auch Sofia. Julie hatte die Veränderungen, die sich um sie herum vollzogen, damals im Stillen bestaunt. Es war ihr vorgekommen, als hätte jemand erst lange die Zeit angehalten, um dann die Uhren schneller laufen zu lassen. Innerhalb weniger Wochen hatten sich die dunklen, zugigen Korridore in helle, warme und belebte Flure verwandelt. Fasziniert lauschte sie den Mädchenstimmen, hörte sogar leises Lachen, sah bunte Kleider. Trotzdem war Julie zunächst zu schüchtern gewesen, sich der neuen Stimmung hinzugeben.
    Alida Koning verfügte über ein unfehlbares Gespür für Menschen, und Juliette Vandenberg hatte ihr von Anfang an Sorge bereitet. Das junge Mädchen wirkte stets in sich gekehrt und schien jegliche Lebensfreude verloren zu haben. Was an und für sich nicht verwunderlich war bei der Vorgeschichte und dem mittelalterlichen Gebaren, das in dieser Schule geherrscht hatte. Es war eine weise Entscheidung gewesen, die muntere Sofia als Zimmergenossin zu Juliette zu stecken. Sofia war es mit ihrer herzlichen Art gelungen, das Mädchen aus seiner Schüchternheit zu schälen. Juliette hatte sich langsam geöffnet.
    In ihren ersten Jahren in Elburg war Julie mit ihren jugendlichen Sorgen und Nöten allein gewesen. Sie wäre eher vor Scham im Boden versunken, als sich jemandem anzuvertrauen. Zumal ihr die ehemaligen Mitschülerinnen immer sehr gottgefällig vorkamen, an ihnen schienen insbesondere die körperlichen Veränderungen vorbeizugehen. Sie selbst hingegen hatte lange beschämt versucht, ihren fraulich werdenden Körper zu verstecken. Die Wandlung vom Kind zur Frau hatte ihr Angst bereitet. Und mit wem hätte sie solche Ängste besprechen sollen? Weder ihre Mitschülerinnen noch Frau Büchner wären ihr eine Hilfe gewesen, im Internat war zu jener Zeit zudem jegliche Zerstreuung um Themen wie Mode oder gar junge Männer strengstens untersagt. Als die neuen Schülerinnen eintrafen, öffnete sich vor Julie plötzlich die Welt junger Damen – für sie eine völlig neue Erfahrung, verlockend und beängstigend zugleich. Zögerlich fand Julie Anschluss. Erst Sofia vermittelte ihr die Erfahrung, dass junge Mädchen durchaus froh waren, wenn ihr Busen wuchs. Und auch die allmonatliche »Schande« war plötzlich ganz normal und nicht mehr Anlass für tagelange Gebete. Julie erinnerte sich noch gut an den Tag, als Sofia sie beiseitegenommen und beschämend offen über gewisse Dinge des Lebens gesprochen hatte. Julie war krebsrot geworden, aber Sofia hatte ihr beschieden: Alles ganz normal.
    Julie hatte zum ersten Mal Freundschaften geschlossen und in der Direktorin eine erwachsene Vertrauensperson gefunden, die ihr die Mutter zwar nicht ersetzen konnte, aber immerhin Leitfigur auf dem Weg ins Erwachsenenleben sein konnte, an dessen Schwelle sie jetzt stand. Ihr wurde immer häufiger bewusst, dass sie sich um ihre Zukunft Gedanken machen musste. Die anderen Mädchen überlegten bereits seit einer ganzen Weile, was sie nach ihrer Schulzeit tun würden. Julie hatte keine Ahnung, wo ihr Weg hinführen sollte. Lehrerin werden, das konnte sie sich vorstellen. Ihr Onkel hatte sich dazu noch in keiner Weise geäußert. Sollte sie das etwa selbst entscheiden? Wohl kaum. Von einer Hochzeit träumen wie die anderen jungen Mädchen, daran dachte Julie nicht einmal. Wo sollte sie schon einen passenden jungen Mann finden? Meistens schob sie die Gedanken schnell beiseite, doch ganz verdrängen ließen sie sich nie.
    Jetzt polterte Julie atemlos durch die Tür zu ihrem Zimmer. Sofia schrak hoch. »Juliette? Was ist denn passiert?«
    Julie streckte ihr wortlos den Brief entgegen. Ihre blonden Locken hatten sich aus dem streng gebundenen Knoten gelöst und fielen nun wirr auf ihre geröteten Wangen. Mit einer fahrigen Geste strich sie sich die Strähnen hinter die Ohren. »Lies! Sie wollen nicht, dass ich mit zu dir komme. Ich muss zu ihnen!«
    Während Sofia mit fragendem Blick das Papier entgegennahm, setzte Julie sich auf die Kante ihres Bettes und versuchte, ihre Atmung zu beruhigen. »Nun lies schon!«, drängelte sie ungeduldig.
    Sofia setzte sich in ihrem Bett auf und faltete das Blatt Papier auseinander. Julie bemerkte, wie sich in Sofias Gesicht erst Überraschung und dann Ärger ausbreitete. »Juliette ... aber ...? Du solltest doch ...?

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