Im Land der Regenbogenschlange
»Ich habe keine Gefühle für dich«. Kein Problem, der Abservierte aktiviert Plan B, das wäre Frau B. Und die hat Gefühle. Und kommt zu ihm.
Schnitt, der Letzte. Man sieht die »vier Siegerinnen« â die acht Besiegten treten nicht mehr auf â beim Abrauschen zur einsamen Farm mit den »vier Busch-Jungesellen«. Je ein Paar in eine andere Richtung. Fortsetzung folgt, Australien möchte natürlich wissen, ob »die folgenden drei Wochen das Leben der acht verändern«. Damn it , da bin ich nicht mehr im Land.
Sonntagmorgen, ich will nicht aufstehen. Oder nur aufstehen, um vor der Rezeption in den Wagen einer Schönen zu steigen, die mich auf ihre Latifundien entführt. Ich will endlich ein Leben wie im Fernsehen führen. Der Reiseblues liegt gerade neben mir und will nichts wissen von Geraldton. So muss ich über Strategien nachdenken, um mit ihm fertig zu werden. Dabei fallen mir zwei Männer ein. Mein Verleger, den nichts weniger interessiert als mein Blues, und der Schweizer Schriftsteller Nicolas Bouvier, auch er barsch und ungerührt. Sein Tagebuch-Eintrag ist ein »Letzte-Hilfe-Satz«, um damit in Notzeiten den Dämon Selbstmitleid kaltzustellen: »Man reist nicht, um sich mit Exotismus und Anekdoten zu schmücken wie einen Weihnachtsbaum, sondern auf dass die Route einen federt, durchwalkt und schleudert.«
Geraldton soll keiner verschlafen. Wie gut, rechtzeitig anzutreten. Ich suche einen Ort für Kaffee und Spiegelei und komme an der Cathedral vorbei, die Frühmesse schallt gerade. Ich gehe hinein und es ist, als hätte der Herrgott persönlich das Timing übernommen. Denn kein pastorales Säuseln ist zu hören, sondern ein junger Mann steht vorne und redet. Wie ein Kluger und nicht wie ein Zombie, der zweitausend Jahre alte Sprüche nachleiert. Er erzählt von einer Schulaufgabe, in der die Kinder nach den sieben klassischen Weltwundern gefragt wurden. Und während alle mehr oder weniger richtige Antworten aufschrieben, notierte eine: »Sehen, hören, fühlen, berühren, schmecken, lieben, lachen.« Was für ein schöner, origineller Gedanke. Der noch mit einem tatsächlichen Lacher belohnt wird. Denn der Pfarrer meint, dass diese Tätigkeiten ein »wake-up-call of Jesus« seien. Was immer Hochwürden damit sagen will, auf jeden Fall geht nach dem Verweis auf die göttliche Verbindung irgendwo ein Handy los und man hört als Klingelton die Overtüre aus der Wilhelm-Tell-Oper von Rossini. Schmissig und flott, und man hört sie laut und lange, denn der Besitzer ist offensichtlich schwerhörig und braucht Zeit, um den Weckruf von Jesus zu registrieren. Und jetzt passiert das Wunder von Geraldton, denn alle lachen, lachen in einer Kirche. Das war noch nie, aber ich war dabei, ich bin Zeuge. Geblendet wie einer, dem Ãbernatürliches widerfahren ist, tapse ich hinaus, kichernd, noch immer lachend, voller Freude über mich, über jeden, der mit allen sieben Weltwundern â wenn er sie nur als solche begreift â leben darf.
Ich finde ein Café, Frühstück, die Morgenzeitung. Ein paar Tische weiter sitzen zwei Freundinnen und eine erzählt der anderen von ihrem Beziehungsstress. Das Ãbliche, er der Böse, sie die Gute, ich höre weg. Bis ein Satz auftaucht, der in dem Zusammenhang erstaunlich klingt: »This is the last chance I'll give him.« Deshalb erstaunlich, weil das vielleicht 35-jährige Superschwergewicht â ich will es milde formulieren â nicht zu jenen gehört, die letzte Chancen zu vergeben haben. Immer wieder beneidenswert die Begegnung mit Leuten, die sich einen Dreck um die Spielregeln kümmern.
Ein Sonntag in Geraldton, dem Küstennest, hat etwas zu bieten. Obwohl sich um 11 Uhr vormittags nur sieben FuÃgänger das Zentrum teilen. Vorbildlich rege geben sich jedoch die australischen Streitkräfte, die mittendrin eine Kaserne aufgestellt haben. Eine Dorf-Kaserne mit ein paar Wellblechhütten und Wohncontainern, hier ist die Army Reserve â Geraldton Cadet Union zu Hause. Jeder, der vorbeikommt, kann sich neben dem Manöverplatz hinstellen und â ergötzen. Ich habe Glück, der Sonntagmorgen-Drill wird gerade exerziert. Sieben Gefreite üben Gleichschritt, Stechschritt, Hacken zusammenschlagen. Eisern trampeln sie, wenn eine Stimme sie anbrüllt. Eisern kommen sie zum Stillstand, wenn sie wieder
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