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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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deutschen Bahnhöfen ein, immer still und unverdrossen den Wachturm haltend. Schon als Kind habe ich nicht verstanden, wie man so geduldig seine Lebenszeit verschleudern kann. Jim und Paul sind ähnlich sanftmütig. Keiner spricht das Wort Hölle aus, keiner will mich missionieren, ich muss nichts kaufen, nichts unterschreiben, nichts schwören, keiner droht mit Verdammnis. Ihr Allah heißt Jehova, aber der will keine Ungläubigen schlachten, im Gegenteil, sie predigen Einvernehmen, sie verweigern den Wehrdienst und glauben, dass »die letzten Tage« der Menschheit gekommen sind (das glaube ich bisweilen auch), aber nur, »um durch ein irdisches Paradies ersetzt zu werden« (das glaube ich nie). Wie einlullend fester Glaube sein kann, wie friedensstiftend. Nicht einmal will ich hinterlistig widersprechen, auch nicht, als sie den munteren Blödsinn vom wissenschaftlichen Beweis aller Aussagen in der Bibel verkünden. Wissen ist Macht, aber nichts wissen macht nichts. Der Spruch gilt in allen Sprachen, überall.
    Zum Abschied bekomme ich eine schmale Druckschrift und einen himmlischen Satz geschenkt: »Next time, please, call our local Kingdom Hall.« Versprochen, dann will ich auch Hank endlich treffen und – kniend, nein, bäuchlings – zuhören, wenn er mit seiner Fender Stratocaster Apache durch die hiesige Königreich-Halle jagt. Dann ist Gott auferstanden und ich habe ihn geschaut. In Perth.
    Mit dem Greyhound weiter nach Norden, entlang der Batavia-Coast. Im starken Kontrast zur Ostküste kam hier die Natur noch gnädig davon. Viele Kilometer lang keine Bunker, keine Resorts, keine architektonische Trostlosigkeit. Nur von den Göttern choreografierte Wellen für Surfer. Ich will nach Geraldton, ich frage Tom, meinen Aborigine-Sitznachbarn, ob er es kenne. »O yeah, it's a big city.« Auf dem Land ist das eine typische Antwort. Alles über 500 Einwohner und zwei Ampeln ist dort »big«.
    Auf der Toilette eines Rasthauses steht ein Apparat mit Kondomen, aufgeklebter Werbespruch: »Wenn sie eine Seufzerin ist, dann wird sie nun zur Schreierin. Und wenn sie eine Schreierin war, dann werden jetzt die Bullen anrücken und dich verhaften.« Das ist gut, der Mann hat sich was einfallen lassen. Nicht »gefühlsecht«, nicht »hautnah«, nicht noch fader, nein, lustschreiende Weiber, die vor dir, dem Kondom-Hengst, nur noch mit Hilfe der Polizei in Sicherheit gebracht werden können. Bravo.
    Noch ein Nachtrag, ich schreibe ihn auf wie einen Triumph. Während der Fahrt lief bis zur Kaffeepause der Fernseher. Unsere täg-liche Dosis Verrohung. (Dank meiner Ohrstöpsel kaum vernehmbar.) Zufällig entdeckte ich neben der Taste für die Leselampe einen anderen Schalter, einen, um die Lautstärke zu regulieren. Vorher nie gesehen. Auf dem Weg hinaus aus dem Bus drehte ich als Letzter alle Knöpfe auf Null. Als wir nach zwanzig Minuten weiterfuhren, lief der Kasten immer noch, aber stumm und – jetzt die sensationelle Verblüffung – keiner beschwerte sich, keiner wollte die Verrohung zurück. Man darf wieder hoffen.
    Am späten Nachmittag in Geraldton, der großen Stadt mit den 25 000 Einwohnern. Wohlwollen auf den ersten Blick. Denn zwei »Dinge« passieren, die jedem Reisenden das Leben erleichtern. Erstens, ein warmer Mensch tritt auf und zweitens, vor Dunkelheit sehe ich noch einmal die schöne Welt. Ich frage jemanden auf der Straße nach dem Weg und der Mann antwortet klug und hilfsbereit, fast gütig. So einen brauche ich jetzt. Ich weise auf ein Café ein paar Schritte weiter. Ob ich ihn nicht zu etwas einladen dürfe. Ich bin wie immer gewinnsüchtig und lauere auf eine Story. Der vielleicht 60-Jährige sagt, dass er nicht viel Zeit habe, er warte auf seine Frau, sie wollen zu Freunden. Aber da sie hier vorbeimüsse, warum nicht.
    Adrian, dessen polnische Eltern vor den Deutschen nach England flohen, kommt in London zur Welt, nach dem Krieg. Aber das Exilland war um diese Zeit noch trister als heute, also wandern sie in die Staaten aus. Die Eltern als (heimliche) Sozialisten und Staatenlose, der Sohn als englischer Bürger. Mitte der 60er müssen sie weiter, denn die drei wollen auf keinen Fall, dass Adrian – jetzt permanent resident – zum Vietnam-Krieg eingezogen wird. Da die kanadische Botschaft, schon voll mit Deserteuren, keine Anträge mehr annahm und die

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