Im Land der Regenbogenschlange
australische Botschaft direkt daneben lag, sind sie nach Australien ausgewandert. Er, Adrian, kann nur das Beste sagen, das Land gab ihm die Möglichkeit zu studieren, gab ihm ein neues Leben, gab ihm eine Frau. Und Linda kommt und sagt, dass sie ihren Mann seit vierzig Jahren kennt und nicht einen Tag mit ihm bereue. Ich frage den Hei ligen nach seiner Kraftquelle und die Antwort kommt eher verlegen: »Vielleicht bin ich ein übrig gebliebener Kommunist, ach bullshit, was weià ich.«
The kindness of strangers . Nur: Gibt es eine kommunistische Freundlichkeit? Freilich nicht. Genauso wenig wie eine religiöse. Siehe meine Pariser Moslems, jeder höflich, ja herzlich. Ich vermute, diese Herzlichkeit ist ein Gen und dem Gen scheint es vollkommen egal, ob es in einem Kommunisten, einem Katholiken oder in einem Islam-Getreuen sitzt. Es ist da, will sich verausgaben.
Jetzt kommt das Schöne. Ich gehe zum Strand, ein Hafenstrand. Am Ende der Welt, am Horizont, treffen sich gerade der Indische Ozean und ein dunkler, gewitterdrohender Himmel. Und mittendrin die feuerroten Strahlen der Sonne, die letzten, die sich über Wasser halten. Möwen ziehen vorbei, lautlos. Nur das Schwingen in der Luft, nur das Geräusch kleiner Wellen. Ich schlieÃe die Augen und beginne zu zählen. Bis es knallt, ein Hund vor mir steht und bellt. 87 Atemzüge lang war die Welt perfekt, Augenblicke unwidersprochener Einheit und Versöhnung. Ich finde, das war rekordverdächtig lang.
In Geraldton befindet man sich ab 21 Uhr allein auf der StraÃe. Ich überlege, was ich unternehmen könnte. Mir fällt nichts ein. Ein Pub hat offen, aber zum Koma-Saufen will ich mich erst als Alzheimer-Patient anmelden. Wenn ich vergessen habe, dass ich nur ein Leben habe. Dann doch eine Idee. Ich checke in mein Motel ein und bitte um ein Zimmer mit Fernseher. In der Zeitung las ich das heutige TV -Programm, ich will jetzt Desperately seeking Sheila sehen, will wissen, wie verzweifelt sie im australischen Hinterland nach Frauen suchen. Ein erklärender Bericht daneben â Ãberschrift »Rural Romeos« â lieà durchblicken, dass es auf den riesigen Farmen im Outback einsam zugeht. Die weibliche Bevölkerung wird inständig gebeten, nach der Ausbildung (in der Stadt) wieder zurückzukehren, ja, Balls in the Bush werden veranstaltet, um die Damen zum Tanz zu bitten. Tanzabende als Eheanbahnungs-Events. Auch Bauern-Romeos haben ein Gefühl für Schicklichkeit.
Hier der Plot. Die Kamera begleitet vier Männer â einen nach dem anderen â und schaut ihnen zu, wie sie sich auf ein Treffen mit zwölf, wohlgemerkt zwölf Frauen vorbereiten. Sie werden interviewt, man sieht die Farmer bei der Arbeit, man zeigt, wie sie â im Kreise ihrer Familie â die Videobänder begutachten, die das Dutzend Sheilas vorstellen, zeigt die anschlieÃende Diskussion über das Gesehene. Deftige Diskussion.
Schnitt, jetzt sind die sechzehn in einem feinen Hotel untergebracht, hier soll das Finale ablaufen. Nun finden auch Interviews mit den Frauen statt. Was sie sich erwarten, warum sie teilnehmen. Ach, viel »unhappiness« und »lonely tears« haben sie bereits hinter sich, da nie »Mister Perfect« dabei war. Zwei, vielleicht drei der zwölf sehen gut aus, die vier Männer nicht gut, nicht hässlich, eher »normal«. Das ist ein Pluspunkt, denn das Auftreten manierierter Skelettfrauen und steil toupierter Schönlinge wäre noch mühsamer zu ertragen, wäre zudem gegen die Spielregeln des Reality- TV . Irgendwann spricht jemand in der Runde das Wort »bizarr« aus, aber ansonsten finden sie es o.k., dass hier vier Männer auf Brautschau mit zwölf potenziellen Bräuten gehen.
Schnitt, jetzt sitzen je drei Frauen an einem Tisch â abends, direkt neben dem Swimmingpool, Kerzenschein â und je ein Mann setzt sich dazu. Eine Stimme aus dem Off erklärt uns (wie überraschend), dass man sich jetzt kennenlernen wird. Man hört sogar ein paar Originalschnipsel, erfreulicherweise wird es nicht vulgär. Man kichert viel, sicher auch aus Nervosität.
Schnitt, nein, keine Kameras wurden in Duschen und Betten installiert, dafür direkter Ãbergang zum nächsten Morgen. Und jeder der Männer nennt â so einfach kann Leben sein â seine Wunschpartnerin. Und die setzt sich zu ihm. Bis auf eine, die vierte, die will nicht, die sagt:
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