Im Land der Regenbogenschlange
den Schauspieler. Frank redet eine Meile pro Minute und weià alles. Auch, dass hier jeder Leihwagen mit einem Nachtfahrverbot vermietet wird. Denn in der Dunkelheit bevölkern die Wüstentiere die Highways. Und davor müssen die Menschen geschützt werden.
Hermannsburg ist ein Fleck mit 600 Einwohnern, meist Aranda-Aborigines, dazwischen ein paar WeiÃe. Der Ort wurde 1877 von deutschen Lutheranern gegründet, als Missionsstation. An der Tankstelle hängt ein Schild, der Hinweis ist eindeutig: »Alle hier sind die Augen, die Ohren, der Mund, um der Polizei beim Auffinden der Störenfriede zu helfen. Erzähl deinem Sergeanten von Alkoholschmugglern, Benzinschmugglern, Drogenschmugglern, von gewalttätigen Ehemännern, von sexuellen Ãbergriffen, von Benzinsniffern. Sind alle Rowdys verhaftet, sind alle Probleme verschwunden und jedermann ist glücklich. Halleluja.« Ich frage den Tankwart, ob es heute eine Messe gibt. »Ja, so was Ãhnliches, aber wahrscheinlich kommen mehr Hunde als Leute.«
Das ist übertrieben. Immerhin versammeln sich 21 Menschen und nur drei Vierbeiner im Kirchlein. Die Lust auf spirituelle Inbrunst hält sich offensichtlich in Grenzen. Es geht gleich los mit Gesang, ich singe mit: »Urrkapuntja mangkilai, Kal'untala tjuntakala. Era Jesuka unparrkala, Tjir etatha nit jinanga«, das Wort Gottes sagt uns, dass wir alle als Sünder geboren wurden! Quer über dem Altar hängen groÃe bunte Bögen Papier: Der Allmächtige ist mit uns .
Ein junges Ehepaar mit seinem Neugeborenen stellt sich neben das Taufbecken. Einfache Leute, ihre Kleidung und die Bewegungen geben eindeutig Aufschluss. Nun, wie sollten sie je gerüstet sein gegen die Zumutungen einer »frohen Botschaft«, die nun auf sie niedergehen wird. Die beiden äuÃern ein kaum vernehmbares »Ja«, als der (weiÃe) Pastor sie fragt, ob Jade, das Baby, getauft werden soll. Und der »Mann Gottes« hat die Nerven, beim WassergieÃen über den winzigen Schädel zu behaupten: »Jade, ich lege meinen Finger auf deine Stirn und dein Herz, damit dir Jesus deine Sünden vergibt.«
Nach dem Hokuspokus predigt der (schwarze) Evangelist, der Hiwi. Er ist geradezu liebenswert, denn er findet den passenden Ton, so ein durch und durch gestyltes Geleier, das uns anmutig in die Bewusstlosigkeit wiegt. Als jemand zu schnarchen anfängt, legt er ein wenig zu, aber noch immer rücksichtsvoll. Am Ende der Predigt â leider in Aranda, aber sicher eine dröge Moralpredigt â kommen wir wieder zur Besinnung (eine Greisin muss von ihrer Nachbarin leicht gepufft werden) und singen nochmals, dass »wir als Sünder die Welt bewohnen und â dem Herrn sei Dank â Gottvater für unsere Sünden am Kreuz gestorben ist« (seit wann Gottvater?). Zuletzt der Pastor, schallend: »What a friend we have in Jesus to bear all our sins and griefs.« Ende, wir schlendern hinaus.
Eine Reihe von Gebäuden aus der Gründerzeit ist noch erhalten, ein schattiges Plätzchen gibt es, wo sie Tee und apple strudle servieren. Ich setze mich zum Lutheraner und seiner Frau, will sie aushorchen. Und bin überrascht, wie umgänglich die beiden sind. Ich spreche sie auf das Thema an, von dem seit Monaten täglich in den Medien berichtet wird, child abuse , die Notzucht an Kindern. Und der Pastor erzählt, dass es innerhalb der Aborigines-Gemeinde, hier und woanders, scharfe Auseinandersetzungen gibt. Zwischen »Konservativen«, die sich als elders eine Achtjährige zur Frau nehmen, manche immerhin bis zur ersten Menstruation warten, manche nicht, und »Modernen«, die für die offizielle Gesetzgebung eintreten und zugestehen, dass die Rechtssprechung der WeiÃen hier humaner ist. Denn Kinder sollen nicht bei Männern liegen, sondern Kinder sein dürfen und Zeit haben zu wachsen.
Lustig wird es, als Hochwürden vom »Aberglauben« spricht, der noch tief verwurzelt in der Urbevölkerung sitze. Nie käme Hochwürden auf die Idee, dass seine Reden von der Ursünde und die Mär von einem, der am Kreuz starb, um anderer Leute Missetaten zu sühnen, auch nicht anders tönen als eschatologischer Firlefanz. Von der AnmaÃung einmal abgesehen. Aber ich spüre, der Mann ist kein Bauernfänger, keiner, der andere an seiner Macht leiden lässt. Er ist haltlos von dem Gefabel überzeugt, das er seinen »Schafen« (und
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