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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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sich, dem Oberschaf) zumutet.
    Ach, wie entspannend doch die Geschichten von der blauen Eidechse klingen, von der Regenbogen-Schlange, von Devil Dingo und tausend anderen »Geistwesen«, die den Kosmos der Aborigines erschaffen haben, haben sollen. Sie sind mir so fremd wie heilig-katholische Jungfrauen, die in den Himmel abheben, fremd wie albern kostümierte Greise, die sich in Rom als »Stellvertreter Christi auf Erden« gebärden. Der dramatische Unterschied jedoch: Keiner der »Heiden« wird mir Wasser auf den Kopf schütten und mich zum Sünder verdammen. Und keiner von ihnen will mir (und dem Rest der Menschheit) seine Einbildungen und Fantastereien aufschwatzen und, sollte das nicht helfen, einprügeln.
    Warum reisen? Binsenweis: Weil einer was lernen will. Von der Welt und ihren Bewohnern. Ist einer jedoch rücksichtslos genug sich selbst gegenüber, dann lernt er auch von denen, die ihm widersprechen. Oder er erfährt, wo die Grenzen seiner Toleranz – des Erduldbaren – liegen. Reisen interessiert mich nur in dem Maße, in dem ich mit Tatsachen konfrontiert werde, die eine Auseinandersetzung fordern. Beispiel Australien. Zum Baden brauche ich mich nicht 24 Stunden in ein Flugzeug zu klemmen, da reicht eine Fahrradtour von sieben Minuten durch Paris und ich bin am Plage de la Seine , eigens vom Rathaus für hiesige Stadtneurotiker eingerichtet. Mit Meeressand, Eisverkäufer und Bikini-Schönheiten. Ich fliege auf den fünften Kontinent, weil ich damit rechne (ja hoffe), dass er mich in Situationen manövriert, in denen ich mit dem Fremden, mit der Fremde konfrontiert werde. Das Leben ist verdammt kurz, ich will es (und mich) ausbeuten, solange die Kräfte reichen. Das Beschauliche für die Beschaulichen, für die anderen – ich will dazugehören – das Fordernde, das Verwirrende, die Intensität.
    Wie jeder Reisende werde ich von drei Grundstimmungen begleitet: a) ich liebe gewisse Menschen und Zustände, b) andere Menschen etc. sind mir egal und c) so manchen weise ich zurück. Kommt es schlimm, dann kommt der Hass, die Verachtung zum Vorschein. Jeder von uns trägt ein livre interieur in sich, ein »inneres Buch« (den Ausdruck habe ich einem französischen Au-tor geklaut). Und in dieses Buch, papierlos und immer virtuell, schreibt jeder an jedem Tag seine Gedanken und Gefühle über die Welt hinein. Oft bewusst, sehr oft unbewusst. So entsteht sein Lebensbuch, sein Sein. Das minütlich, ja in jeder Sekunde mit der Außenwelt, der Welt der anderen, sprich mit anderen inneren Büchern konfrontiert wird. Daraus kann Enthusiasmus entstehen. Oder Gleichgültigkeit. Oder Widerwille und Ekel.
    Deshalb – um wieder konkret zu werden – reagiert mein inneres Buch hochgradig allergisch auf die Vermessenheit eines Schwarzrocks, der seine Sonntagvormittage damit verbringt, anderen das Brandzeichen »Sünder« einzubrennen. Denn in meinem inneren Buch stehen Erlebnisse aus der Kindheit, voller Gewalttätigkeiten einem Kind gegenüber, stehen tausend und eine Erfahrung, die nie darauf hindeuteten, dass die Vermessenheit in irgendeinem Zusammenhang stand mit natürlicher Autorität, mit Wissen, mit Wärme, Güte, Großmut, nie und nimmer mit Daseinsfreude und Lebenslust. Deshalb schwärze ich den Wichtigtuer an. Weil ich noch immer nicht begriffen habe, woraus sich der Hochmut speist, Dreitätige als Sünder abzukanzeln und – Gipfel der Wichtigtuerei – einen Gottessohn zu erfinden, der jene Sünden wieder aufhebt, die man gerade eingebläut bekam. Deshalb schreibe ich darüber. Um die eigenen Dämonen loszuwerden. Und um andere anzustacheln, eigenmächtig über ihre Geistesgaben zu verfügen. Damit sie es mit ihren Dämonen aufnehmen. Wäre ich ein Einzelfall, das alleinige Opfer, ich hätte kein Recht, mich öffentlich darüber zu äußern. Aber ich bin es nicht, bin einer von vielen.
    Vor Tagen stand in der Zeitung, dass die katholische Kirche in Kalifornien den Opfern heimischer Priester-Päderasten die Summe von 650 (!) Millionen Dollar auszahlen wird. – So viel zur Hybris, so viel zur Sünde.
    Ich suche das Haus von Albert Namatjira, er wurde 1902 in Hermannsburg geboren und gilt als der berühmteste Aborigine. Bescheidene Anfänge, Grundschule, Initiierung in ein traditionelles Buschleben, mit achtzehn heiratet er Rubina. Da die junge Frau

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