Im Land der Sehnsucht
und eilte in ihr Zimmer.
7. KAPITEL
Catherine McMaster, Holts Großmuter väterlicherseits, war eine kleine, zierliche alte Dame. Sie hatte dichtes silberweißes Haar und große haselnussbraune Augen, die ihr fast faltenloses, zartes Gesicht beherrschten. Es war leicht zu erraten, dass sie einmal sehr schön gewesen war. Noch mit zweiundachtzig Jahren strahlte sie etwas von dieser Schönheit aus. Sie benutzte kaum Make-up und trug einen blauen Seidenmorgenmantel zu einer weißen Leinenhose und flache weiße Ballerinas.
„Kommen Sie zu mir, mein Kind“, forderte sie Marissa mit einer überraschend klaren Stimme auf. „Ich möchte Sie ansehen.“ Sie sagte das sehr hoheitsvoll, aber durchaus freundlich und nicht von oben herab.
„Ich bin glücklich, Sie kennenlernen zu dürfen, Mrs. MacMaster“, erwiderte Marissa, während sie langsam näher kam.
Catherine McMaster stand an der offenen Glastür, die auf einen breiten, sonnigen Balkon führte, und streckte Marissa die Hand entgegen. „Ich freue mich ebenfalls. Wie ich sehe, hat Holt Sie nicht richtig beschrieben. Sie sind viel schöner, als er zugeben wollte.“
Marissa nahm die von Arthritis gezeichnete Hand und drückte sie behutsam, ohne etwas zu sagen. Sie hatte sich längst daran gewöhnt, Bemerkungen über ihr gutes Aussehen gelassen hinzunehmen, auch wenn es ihr Selbstbewusstsein nicht gerade stärkte, denn es hatte durchaus auch seine Schattenseiten. Begegnungen mit Typen vom Schlag eines Wade Pearson hatten ihr das oft genug gezeigt.
„Wollen wir uns hinsetzen?“ Catherine hielt Marissas Hand fest und ließ sich zu der Chaiselongue führen, die man an die offene Tür geschoben hatte. „Danke, mein Kind. Ich ermüde schnell, das ist eine der unerfreulichen Begleiterscheinungen des Alters.“
Catherine sprach noch immer ein klares, deutliches Englisch, obwohl sie den größten Teil ihres Lebens in Australien verbracht hatte. Das war Marissa von Anfang an auch bei Holt aufgefallen.
„Es tut mir leid, dass Sie Schmerzen haben“, sagte sie voller Mitgefühl.
„Man muss versuchen, damit zu leben.“ Catherine forderte Marissa mit einer Handbewegung auf, in dem Sessel Platz zu nehmen, der neben dem Sofa stand. „Es ist dumm, sich gegen das Unvermeidliche zu wehren.“
Marissa sah sich in dem Zimmer um, in dem alles weiß war: Wände, Gardinen, Polsterbezüge und sogar der Teppich, der den größten Teil des Bodens bedeckte. Nur die zartblauen Seidenkissen, die goldgerahmten Stillleben und das blau-weiße chinesische Porzellan in einer antiken Vitrine brachten etwas Farbe hinein. Alles wirkte sanft und gedämpft. Marissa war begeistert, was Catherine nicht entging.
„Mein Zimmer gefällt Ihnen also“, stellte sie fest.
„Ich finde es bezaubernd“, gab Marissa ehrlich zu. „Alles verbreitet Ruhe und Frieden.“
„Weiß war immer meine Lieblingsfarbe“, erklärte Catherine. „Zu dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, gehörte ein wunderschöner Garten, in dem fast nur weiße Blumen blühten. Er war dafür berühmt, und die Menschen kamen von weither, um ihn zu bewundern. Irgendwo habe ich noch Fotos davon. Mögen Sie Gärten?“
„Oh ja“, gestand Marissa. „Gibt es überhaupt Menschen, die sie nicht mögen? Nirgendwo sonst kann man sich so gut entspannen und erholen.“
Catherine nickte und erwähnte einige ihrer Lieblingsblumen, die auch Marissa sehr gefielen. „Sie können sich denken, wie viel Mühe es gekostet hat, hier einen Park anzulegen“, erzählte sie. „Ohne die Hilfe eines sehr guten Freundes wäre mir das kaum gelungen. Er war zwar kein Landschaftsarchitekt, hätte aber einer werden können. Wir haben ‚Wungallas‘ Gärten gemeinsam geplant.“
„Sie sind prachtvoll“, beteuerte Marissa mit einem Blick auf die mächtigen Baumkronen. Ich habe auch die Anlage in Ransom gesehen. Daisy O’Connell hat mir erzählt, dass die wunderschönen Jacarandas Ihnen zu verdanken sind. Sie stehen gerade in voller Blüte. Es ist ein bezaubernder Anblick.“
„Und wie sie gewachsen sind, nicht wahr?“ Catherine schien darauf ehrlich stolz zu sein. „Leider war ich schon lange nicht mehr dort.“
„Blühende Jacarandas gehören zu meinen frühesten Kindheitserinnerungen“, gestand Marissa. „Damals wohnten wir in einer Kolonialvilla, die auf einem Hügel stand, von dem man einen herrlichen Blick hatte. Rund um das Gebäude befanden sich große Jacarandas, und wenn sie blühten, fühlte man sich wie im
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