Im Land der Sehnsucht
besonderen Sehenswürdigkeiten des Outback gehörten.
Marissa bewunderte gerade eine Schar von Nymphensittichen, die im Flug eine perfekte V-Formation bildeten, als ihr plötzlich mehrere Wallabys den Weg versperrten. Sie hatten im hohen Gras gelegen und waren durch das Motorengeräusch aufgeschreckt worden. Marissa bremste scharf. Eine Weile starrten die Tiere sie neugierig an, dann verloren sie das Interesse und verschwanden in Richtung des nahe gelegenen Billabongs.
Marissa fuhr langsam weiter und nahm sich vor, von jetzt an besser aufzupassen. Georgina und Olly hatten ihr nacheinander den Weg erklärt. Sie sollte sich an einem lang gestreckten, halb ausgetrockneten Billabong orientieren. Er lag jetzt rechts von ihr, dort, wohin die Wallabys gesprungen waren. Riesige Eukalypten säumten das Ufer.
Während der Fahrt sollte sie nach einer roten Staubwolke Ausschau halten, die das Camp kennzeichnen würde, in dem die Männer arbeiteten. Ein wunderbares Freiheitsgefühl erfüllte sie, während sie stetig weiterfuhr. Für ihre an die Stadt gewöhnten Augen wirkte alles wild und ungezähmt. Kein Wunder, dass man sich hier draußen leicht verirren konnte – eine beunruhigende Vorstellung, der sie lieber nicht länger nachhing.
Einige Kilometer weiter bemerkte sie tatsächlich rote Staubfahnen, die langsam in den tiefblauen Himmel stiegen und sich dort allmählich auflösten. Gut gemacht, Marissa, lobte sie sich selbst. Sie hatte das Lager ohne große Mühe gefunden, obwohl ein guter Orientierungssinn nicht zu ihren Stärken gehörte. Ein Glück, dass sie mit ihrem eigenen Wagen fahren konnte und dadurch unabhängig war. Holt hatte ihr mehrfach versichert, dass sie genug Freizeit haben würde, um nach Herzenslust Entdeckungsreisen zu machen.
Obwohl es drückend heiß war, konnte man in der trockenen Luft die Hitze gut ertragen – im Gegensatz zu der schwülen Tropenluft im nördlichen Queensland. Ob Holt dem Zimmerwechsel zustimmen würde? Marissa war sich keineswegs sicher, aber Georgina zuliebe musste sie es versuchen. Jeder hatte sie vor dem trotzigen Wildfang gewarnt, und wie sah es jetzt aus? Rileys Charme hatte Wunder gewirkt. Die Kinder bildeten schon jetzt eine Einheit. Dafür war Marissa unendlich dankbar.
Das Camp schien doch weiter weg zu sein, als Marissa gedacht hatte. Sie beschleunigte das Tempo und hielt sich dichter am Billabong, in dem sich hier kaum noch Wasser befand. Auch das Spinifex-Gras wuchs höher und dichter. Endlich drangen Geräusche an ihr Ohr, die der Wind herübertrug: das Brüllen von Rindern, Hundegebell und sogar Peitschenknallen.
Eine Bewegung im hohen Gras erregte ihre Aufmerksamkeit. Ob das wieder Wallabys waren – oder Dingos oder ein ausgewachsenes Riesenkänguru? Leise Angst beschlich Marissa. Was wusste sie schon über das endlose Outback? Nichts, absolut gar nichts. Es barg wahrscheinlich Gefahren, von denen sie keine Ahnung hatte.
Sie erkannte einen Schatten, der sich langsam durch das Gras schob, genau auf ihren Weg zu. Hoffentlich ist es nur ein Wallaby, betete sie inständig. Ein Känguru oder ein Emu wären größer gewesen. Plötzlich blieb ihr fast das Herz stehen. Eine unheimlich aussehende Echse kroch langsam über die Piste – dunkelbraun, fast schwarz, mit leuchtend gelben Punkten auf dem Rücken.
Marissa trat auf die Bremse. Das musste ein Waran sein, ein Perentie, sicherlich der größte, den es weit und breit gab. Er war mindestens zweieinhalb Meter lang, schlug mit dem Schwanz hin und her und ließ ein scharfes Zischen hören. Marissa kannte größere Eidechsen aus dem Zoologischen Garten, ein so urzeitliches Monster hatte sie jedoch noch nie gesehen. Sie durfte es auf keinen Fall reizen. Sie würde ganz still sitzen und dem Ungeheuer den Vortritt lassen. Irgendwann würde es den Weg schon freigeben.
Doch es kam noch schlimmer. Plötzlich erhob sich der Perentie auf die Hinterbeine, sodass er fast Mannesgröße erreichte. Marissa hatte nicht gewusst, dass die Tiere dazu in der Lage waren, und ihre Angst verwandelte sich in Panik. Ein Krokodil hätte sie nicht mehr erschrecken können.
Geh weg, flehte sie stumm, doch das Tier rührte sich nicht. Es stierte sie nur an, mit geblähtem Kehlsack und zischelnder Zunge, als wäre Marissa sein nächstes Opfer. Sollte sie etwa warten, bis das Biest näher kam oder ihr sogar auf den Kühler sprang? Verzweifelt gab sie Gas, fuhr eine scharfe Rechtskurve und hielt direkt auf den Billabong zu.
Holt fand Marissa
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