Im Land der Sehnsucht
die empfinde.
Ihr Schweigen wirkte auf Holt wie ein Geständnis. „Auf ‚Wungalla‘ sind Sie und Riley in Sicherheit“, erklärte er.
Marissa nickte. „Das weiß ich. Sie haben uns sehr geholfen.“
„Und ich dachte schon, Sie hätten es nicht bemerkt.“
Sie näherten sich wieder den hohen Bäumen beim Haus, als plötzlich ein großer Vogel laut kreischend auf sie hinunterstieß. Sofort legte Holt schützend den rechten Arm um Marissa, während er mit dem linken den Angreifer abwehrte.
„Hau ab!“, rief er laut.
Einen Augenblick später war der Vogel verschwunden. Marissa hatte instinktiv den Kopf gesenkt und wagte erst jetzt, wieder aufzusehen. „War das ein Adler?“, fragte sie atemlos.
„Unsinn“, antwortete Holt lachend. „Adler nisten nicht so nahe am Haus. Die größten haben eine Flügelspannweite von über zwei Metern und könnten Sie mühelos zu ihrem Wüstenhorst tragen.“
„Er war aber so groß!“, verteidigte sie sich und lehnte sich dankbar an ihn.
Holt, der sie noch immer im Arm hielt, hatte plötzlich Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren. Die einzige Möglichkeit, seinem Verlangen nicht zu erliegen, war, stocksteif dazustehen. Nie zuvor war er einer Frau begegnet, die er so brennend gern vom Fleck weg entführt hätte.
Holt war nicht ausgehungert nach Sex – er war ausgehungert nach Sex mit der richtigen Frau. Mit einer, die sein Herz rührte, die seine Seele mitschwingen ließ. Marissa war diese Frau, das hatte er auf den ersten Blick erkannt, und nun musste er sich mit äußerster Willenskraft beherrschen. Er durfte seiner Sehnsucht nicht nachgeben, denn Marissa und Riley standen unter seinem Schutz.
Langsam und behutsam ließ er Marissa los. „Es tut mir leid, dass der Vogel Sie erschreckt hat, aber jetzt sind Sie in Sicherheit. Wir können nach Hause gehen.“
Nach Hause.
Marissa wusste nicht, ob sie je wieder ein Zuhause finden würde, doch „Wungalla“ schien ihr, zumindest vorerst, eine echte Alternative zu sein.
Bis zum Ende der Woche gelang es Marissa, einen regelmäßigen Tagesablauf einzuführen. Das ging nicht ganz reibungslos vor sich, denn Georgina neigte weiter zu Wutausbrüchen, die allerdings seltener wurden und weniger heftig waren. Doch allmählich wurde sie ausgeglichener, und es war abzusehen, dass sie sich zu einem fröhlichen, lebensbejahenden Kind entwickeln würde.
„Das ist Ihrer sanften, verständnisvollen Art zu verdanken, Marissa“, sagte Catherine zu ihr.
Doch Marissa schrieb vor allem Riley die positive Wandlung zu. Dieser schien derselben Ansicht zu sein, denn er sagte einmal: „Ich bin wie eins dieser kleinen Ponys, die man einsetzt, um die Rennpferde vor dem Start ruhig zu halten.“ Dann lachte er so ansteckend, dass Georgina mitlachen musste.
„Davon habe ich gehört“, meinte Marissa, die sich immer wieder über Rileys Kenntnisse wunderte. „Von wem weißt du es?“
„Von Daddy“, antwortete er wie üblich. „Einmal hat er mich zu so einer Veranstaltung mitgenommen. Es war sehr aufregend.“ Er wandte sich hoffnungsvoll an Georgina. „Gibt es hier auch Pferderennen?“
„Etwas viel Besseres.“ Georgina sprang auf. „Wir veranstalten Poloturniere. Holt ist ein fantastischer Spieler! Meine Mum nannte ihn immer den ‚Eroberer‘. Im letzten Jahr fanden das Endspiel und der anschließende Ball hier in ‚Wungalla‘ statt. Ich war noch zu klein, um daran teilzunehmen, doch Tante Alex und Tante Fran kamen. Sie sind beide sehr nett. Tante Alex hat die Rolle der Gastgeberin übernommen, denn Mum war nicht mehr da. Tante Lois erschien auch, weil sie in Holt verliebt ist, aber er lässt sich nicht von ihr einfangen. Ob wir sie jemals wiedersehen?“
„Natürlich“, erklärte Marissa. „Sie gehört zur Familie und wird spätestens Weihnachten kommen.“
„Meinetwegen, wenn Sie und Riley auch da sind. Er kann mich heiraten, wenn ich groß bin.“
Riley verschluckte sich und musste husten.
„Und du kannst dich wieder hinsetzen“, befahl Marissa. „Wir haben noch nicht alle Aufgaben gelöst.“
„Kann Riley mir nicht dabei helfen?“ Georgina kehrte gehorsam an ihren Platz zurück. „Ich hasse Rechnen.“
Den späteren Nachmittag verbrachten sie meist am Swimmingpool. Anfangs hatte Georgina scheu im Liegestuhl gelegen und Riley beim Schwimmen zugesehen, bald rückte sie jedoch näher, bis sie sich schließlich auf den Rand des Beckens setzte und ihre Füße ins Wasser baumeln ließ.
„Warum kommst du
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