Im Land der tausend Sonnen
leben.
Sie gingen weiter zur St.-Johannis-Kirche. So ein kleines Kirchlein sah er zum ersten Mal! Es war aus nacktem Holz gebaut, ungestrichen, mit selbst gezimmerten Bänken und einem handgeschnitzten Altar ausgestattet, und zwei kleine bleiverglaste Fenster strahlten die Besucher an. Lächerlich. Was würde die Kollekte hier einbringen? So gut wie gar nichts. Das wollte bedacht sein, während der Pastor ihn vor den Altar führte, neben ihm auf die Knie sank und sich im Gebet verlor.
Sie knieten dort so lange, dass die bloßen Planken unter ihren Knien hart wie Fels wurden. Oder hatte er vielleicht knotige Knie? Wie auch immer, Friedrich konnte nicht zulassen, dass der alte Knabe länger durchhielt als er. Er musste ihn auf seine Seite ziehen, beweisen, dass er stark war an Körper und Seele, falls es denn nötig war.
Ewigkeiten später bemühte er sich, nicht zu hinken, als er dem Pastor aus der Kirche folgte. Der Alte wandte sich zu ihm um.
»Hast du die Glocke mitgebracht?«
»Welche Glocke? Ach … die Glocke! Pastor, es tut mir Leid. Ich habe Ihren Brief erhalten und mich sogleich auf die Suche gemacht, was Stunden gedauert hat, weil die Leute vom Zollamt sie nicht finden konnten. Aber ich wusste, dass sie da sein musste, und habe die Angelegenheit durch die Büros und Lagerschuppen in Brisbane verfolgt wie ein Schießhund, bis ich schließlich von ihrem Schicksal erfuhr. Oder es vielmehr mit eigenen Augen sah.«
»Was ist aus meiner Glocke geworden?«
»Sie haben sie zurückgeschickt, Pastor. Die herzlosen Narren haben sie zurück nach Hamburg geschickt, weil niemand sie abgeholt hatte und die Strafgebühren für die verspätete Zahlung allzu hoch geworden waren.«
»Allzu hoch?«
Er beugte sich herab und flüsterte: »Überfällig, Pastor. Die Zahlung war schon so lange überfällig.«
»Sie haben meine Glocke zurückgeschickt! Wie schrecklich!«
»Ja, es ist eine Schande. Ich bin endlos herumgelaufen, habe versucht, sie zu finden, aber ich kam zu spät. Nur zwei Tage zu spät, Pastor. Ich war so furchtbar enttäuscht. Ich hatte das Gefühl, Sie vorab schon enttäuscht zu haben.«
»Nicht doch, lieber Junge. Es ist sehr traurig, aber doch nicht deine Schuld. Darf ich dich wohl Friedrich nennen? Nur unter uns?«
»Natürlich, Herr Pastor.«
Der Nachmittag neigte sich mit leisem Donnergrollen dem Ende zu. Die Wolken schienen sich nicht entscheiden zu können, ob sie nun weiterziehen oder auf die nicht mehr ferne Dunkelheit warten sollten. Friedrich warf einen Blick zurück auf die Kirche.
»Sie hat ja keinen Turm. Es gäbe gar keinen Platz für eine Glocke, Pastor.«
»Ich weiß. Ich spare noch auf einen Turm. Er ist im Plan inbegriffen. Ich konnte ihn mir nur noch nicht leisten. So etwas braucht seine Zeit. Friedrich, ich möchte, dass du nach Hamburg schreibst und eine neue Glocke anforderst.«
Den Teufel werde ich tun, dachte er. Und auch die Tage dieses unsinnigen Glockenturms sind jetzt gezählt!
»Wie Sie wünschen«, sagte er. »Ich ahne bereits, welche Last Sie hier zu tragen haben. Scheuen Sie sich nicht, mich jederzeit um Hilfe zu bitten. Ich stehe Ihnen zu Diensten. Und ich hoffe, Sie haben keine Einwände, wenn ich jetzt gern eine Tasse Kaffee trinken würde. Ich bin so durstig. Wissen Sie, das ungewohnte Wetter …«
»Natürlich, Friedrich. Komm mit. Unsere Unterkunft liegt da drüben, diesen Weg entlang. Wir besitzen hier vierzig Morgen Land, wusstest du das? Vierzig Morgen … ein Gutsbesitz sozusagen. Ist das nicht wunderbar?«
Friedrich hatte keine Ahnung, was ein Morgen, geschweige denn vierzig Morgen darstellten, und es war ihm auch gleichgültig. Ein Morgen konnte so groß sein wie ein Tanzsaal, was wusste er davon? Beim Anblick der düsteren Umgebung, unter dem Eindruck des plötzlich einsetzenden Chors der Frösche und Insekten, des Aufruhrs unter den Vögeln, die um ihre Nistrechte stritten, kam der Hilfspfarrer zu dem Schluss, dass dieser Teil der Gemeinde in einem Sumpf angesiedelt war, und er folgte seinem Vorgesetzten hinaus, voller Hoffnung auf den Schutz des Pfarrhauses.
Es waren nur strohgedeckte Hütten. Ein Wirrwarr von
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