Im Land der tausend Sonnen
Sie an Land gehen sah. Max!«, rief er. »Das ist Vikar Ritter. Unser Vikar Ritter!«
Max begrüßte ihn genauso überschwänglich, und als Friedrich schließlich auch ein Wort anbringen konnte, bat er die beiden, den Titel wegzulassen und ihn einfach mit »Herr Ritter« anzusprechen – um den Respekt gegenüber Pastor Beitz zu wahren. Sie nickten zustimmend, in erster Linie darauf bedacht, ihn »nach Hause« zu bringen.
»Ich schaue mich nach einem Fahrzeug um und hole das Gepäck«, sagte Max zu seinem Bruder. »Du kümmerst dich um Vikar Ritter.«
»Ja. Würden Sie bitte mit mir kommen?«, forderte Hans ihn auf.
Friedrich nickte. Keiner der beiden Männer in derber Arbeitskleidung schien Notiz von dem unablässigen Regen zu nehmen. Friedrich fragte sich, ob er sich nur einbildete, dass sein schwarzer Velourshut tropfnass, wahrscheinlich sogar ruiniert war. Auch sein Gesicht war nass, und sein schwerer Mantel, vom Regen noch schwerer geworden, hatte sich in ein türkisches Dampfbad verwandelt, aus dem es für seinen schwitzenden Körper im Augenblick kein Entrinnen gab.
Er fand Schutz unter dem undichten Vordach eines der Lagerschuppen, wo Hans nach der spontanen und freudigen Begrüßung nun in schüchternes Schweigen verfiel. Friedrich nahm die Gelegenheit wahr, ihm seinen Dank für die Rettung aus der Verwirrung seiner unangekündigten Ankunft auszusprechen. Dann fragte er nach seiner Arbeit, nach der Arbeit, die die anderen gefunden hatten, um sich vorab schon einmal ein Bild von seiner Gemeinde machen zu können. Als Max zurückkam, hatte Friedrich schon viel über diese Menschen erfahren und in Hans einen Freund gefunden. Allerdings überraschte ihn die Anzahl der lutherischen Auswanderer. Er hatte mit mindestens hundert Leuten gerechnet, aber es waren nur etwa zwanzig und dazu ein paar neugeborene Gemeindekinder – das war natürlich viel besser. Das verringerte die Möglichkeiten von Unruhestiftern.
»Tut mir Leid«, sagte Max. »Mehr konnte ich für Sie nicht tun, im Augenblick jedenfalls nicht. Davey hier wird Sie hinaus zur Gemeinde bringen.«
Friedrich wusste inzwischen, dass Max und Hans und ein paar andere stolz auf dem wunderschönen Kirchenland lebten, in einem idyllischen Gemeinwesen. Daher kam auch die Bezeichnung Gemeinde. Anscheinend scharten sie sich um die Kirche und das Pfarrhaus. Friedrich, der oft genug monatelang in der Enge einer Theatergruppe gelebt und Geld und Vergnügen geteilt hatte, war mit dieser Regelung einverstanden und gratulierte Hans zu seiner Loyalität der Kirche gegenüber. Sein Plan, alle Mitglieder der Gruppe für sich zu gewinnen, so dass sie ihn liebten und ihm vertrauten, schien aufzugehen.
Davey war ein drahtiger kleiner Bursche aus dem Ort mit einem merkwürdigen englischen Akzent, den der Vikar kaum verstehen konnte, und schlimmer noch, er war der Kutscher eines mächtigen, mit Möbeln voll gepackten Wagens, den ein Gespann großer Ochsen zog.
»Gütiger Gott!«, rief Friedrich, entsetzt darüber, dass dies Gefährt ihn transportieren sollte, als hätte er am Straßenrand das nächstbeste Fahrzeug angehalten, doch dann sah er, wie sich die Gesichter der anderen schmerzlich enttäuscht verzogen. Max und Hans hatten Angst, dem frommen Kirchenmann nicht den gebührenden Respekt erwiesen zu haben. Und so sah es auch aus. Doch Friedrich, stets auf Harmonie bedacht, erlöste sie aus ihrer Pein. Blitzschnell trat er nach vorn, um die Ochsen zu bewundern.
»Gütiger Gott!«, sagte er noch einmal. »Was für prachtvolle Tiere! Herrliche Tiere, und so sanftmütig. Seht sie euch nur an!«
Daveys wettergegerbtes Gesicht verzog sich zu einem Ausdruck puren Entzückens, während er hinzueilte, um dem jungen Vikar seine Ochsen namentlich vorzustellen und voller Stolz über ihre guten Eigenschaften zu berichten … der hier ist ein Führer, die hier auch, der ist ein Schelm, ein weiterer ein bisschen träge, noch ein anderer sehr stark, und das weiß er auch … und so ging es weiter, und auch Max und Hans konnten wieder glücklich lächeln.
Und so begab sich Friedrich auf den Weg zu seinem lang ersehnten neuen Zuhause. Er saß vorn bei Davey, eine Ölhaut um die Schultern gelegt. Hinter ihm, in einem Käfig aus einem umgekehrten Tisch und einem Drahtgeflecht, gackerten Hühner, sich
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