Im Land der tausend Sonnen
strohgedeckten Hütten in einem Labyrinth von schlüpfrigen Wegen. Das Lärmen des Urwalds hatte nicht nachgelassen, es war, im Gegenteil, noch lauter jetzt. Die Pflanzen, die er zur Seite schieben musste, um so etwas wie einen Weg erkennen zu können, waren gigantisch, hatten tellergroße Blätter, beinahe unzüchtig. Über ihm baumelten grüne Bananen, doch dafür erübrigte Friedrich keinen Blick. Das waren allenfalls Requisiten in dieser schwülen, feuchten Welt. Und er hatte gerade erst ihre Oberfläche angekratzt.
»Da sind wir«, sagte der muntere alte Knabe und betrat eine strohgedeckte Hütte, wo das Gepäck des Pastors unübersehbar in einem unmöblierten erbärmlichen Raum prangte. Unmöbliert bis auf ein paar Pritschen knapp über dem Erdboden und einigen weiteren, traurig in einer dunklen Ecke aufgestapelten Reisekoffern.
»Morgen bauen wir dir eine eigene Hütte«, erfuhr Friedrich. »Als Vikar hast du ein Recht darauf, wie auch auf die Abgeschiedenheit, die du benötigst, um deinen Verpflichtungen dem Herrn gegenüber nachzukommen. Hätte ich gewusst, dass du heute eintriffst, würde ich dich niemals mit den Arbeitern unterbringen, dann hättest du einen eigenen Schlafplatz …«
Den Kaffee hatte Friedrich immer noch nicht zu sehen bekommen. Seine neueste Erkenntnis brachte ihn einer Ohnmacht nahe. Man musste kein Genie sein, um zu begreifen, dass dieser Idiot von einem Pastor kein Haus besaß, geschweige denn ein hübsches Pfarrhaus. Er lebte wie ein Eingeborener in diesem Sumpf. Er war so dumm zu glauben, dass der Besitz einer eigenen verdammten Hütte im Vergleich zu seinen »Arbeitern«, die diese schäbige Unterkunft teilten, ein Privileg sei.
Beitz war völlig verrückt. Wahnsinnig.
»Pastor«, sagte er. »Entschuldigen Sie. Aber könnte ich jetzt einen Kaffee bekommen?«
»Zur Küche geht es hier entlang, mein Junge. Verirr dich nicht, im Busch wimmelt es von Zecken, scheußlichen Biestern. Ich hol dir Wasser. Kaffee haben wir nicht, der ist zu teuer. Ein Luxus, mein Lieber.«
Oh nein. Kein Pfarrhaus. Nur diese grauenhaften Hütten, umgeben von einem dampfenden Dschungel, weit entfernt von der Stadt und jeglichen Nachbarn. Und dann natürlich die Kirche, diese erbarmungswürdige, kleine Kirche!
Vier Männer wohnten hier mit dem Priester zusammen, wie Friedrich bald herausfand, und deren Einkommen, zusammen mit dem Zehnten, den die übrigen Mitglieder der lutherischen Gemeinde beisteuerten, unterhielten Beitz und sein Bauprogramm.
In der Abenddämmerung, als die Lutzes heimkamen, machte Friedrich die Bekanntschaft der zwei anderen Arbeiter, Walther und Lukas, die sich beide sehr freuten, ihn zu sehen, und zur Feier des Tages ein ganz besonderes Abendbrot versprachen. Der Hilfspfarrer konnte es kaum erwarten, nachdem er von Pastor Beitz gehört hatte, dass dieser tagsüber fastete. »Frühstück und Abendbrot sind genug.«
»Meines Erachtens«, fügte er hinzu, »ist selbst das üppig für dich nach vier Jahren im Predigerseminar. Ich erinnere mich noch gut an meine Zeit dort … wir bekamen meistens Schmalzbrot und sonntags Hammeleintopf. Und das reichte auch.«
Friedrich hatte jetzt schon genug von Beitz. Die letzten Stunden des Nachmittags hatte er damit verbracht, mit ihm durch den Urwald zu ziehen, stechende Insekten abzuwehren und sich die Pläne dieses Größenwahnsinnigen anzuhören.
»In diesem Abschnitt können wir die Missionsschule bauen, denn hier wachsen nicht so viele Bäume. Da ist das Roden nicht so beschwerlich. Und hier oben – gib Acht auf die Schlangen – soll das Refektorium entstehen und dahinter die Schlafsäle für die Eingeborenen-Kinder. Nimm den Hut nicht ab, Friedrich, er schützt dich vor den Zecken, die sich von den Bäumen fallen lassen.«
»Was sind Zecken, Herr Pastor?«
»Scheußliche kleine Insekten. Sie bohren sich in die Haut und saugen sich mit Blut voll.«
Friedrich stülpte sich den verbeulten Hut bis über die Ohren, während sie durch schlüpfriges Buschwerk drangen, bis sie endlich einen großen Gemüsegarten erreichten.
»Ich bin sehr enttäuscht von Walther und Lukas. Sie arbeiten nur sonntags im Garten, was ich ihnen gestatten muss, weil sie ihren eigenen Geschäften außerhalb der Gemeinde
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