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Im Land der tausend Sonnen

Titel: Im Land der tausend Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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»Was nützt uns Kultur, wenn sie durch Krieg und Zerstörung entwertet wird?«, fragte Hubert, doch Klaus lachte.
            »Du bist wirklich naiv in deiner ›Zurück zur Natur‹-Begeisterung, Hubert. Amerika wird auch schon durch entsetzliche Kriege entwertet. Weshalb glaubst du, in den australischen Kolonien würde es anders sein?«
            Daraufhin machte Hubert sich auf die Suche nach Henderson. »Ich finde die Treffen sehr nützlich und freue mich über die Menschen aus allen Berufszweigen, die eventuell mit uns segeln, doch jetzt muss ich noch etwas ausgesprochen Wichtiges wissen. Wie sieht es in den australischen Kolonien hinsichtlich des Militärs aus? Insbesondere in Queensland.« Henderson blinzelte. »Militär?«
            »Wie stehen Militär und Regierung zueinander? Wer ist der Kriegsminister?«
            »Ich verstehe nicht ganz, was Sie wollen, Herr Hoepper. In den Kolonien gibt es kaum Militär. Nur ein paar Überreste der britischen Armee.«
            »Ah, aber mir ist aufgefallen, dass der Gouverneur von Queensland den Rang eines Obersten hat. Ist er gleichzeitig Kriegsminister?«
            »Nein. Im ganzen Land gibt es keine Kriegsministerien. Es gibt keine Armee.« Henderson grinste. »Da ist ja niemand, gegen den man kämpfen könnte, so abgeschieden vom Rest der Welt. Außer den Eingeborenen. Die Siedler und die Schwarzen einigen sich friedlich untereinander.«
            »Sind Sie sicher? Vielleicht tragen die Kolonien untereinander ihre Fehden aus, vielleicht wegen Grenzfragen oder etwas Ähnlichem?«
            »Warum sollten sie? Alle haben mehr Land, als sie bewirtschaften können. Was glauben Sie, warum ich hier bin, mein Herr? Das Land muss bevölkert werden, um wirtschaftlich überleben zu können, sonst sinkt es zurück in den Zustand der Wildnis.«
            »Ich verstehe. Noch eines, Mr Henderson. Das ist eine heikle Frage, und mehrere Leute sind schon auf mich zugekommen und haben mich gebeten, mich zu erkundigen. Was ist mit den Sträflingen? Einige von den Kolonien waren doch zunächst nur Arbeitslager für deportierte Schwerverbrecher …«
            »Und für Leute, die gestohlen haben, weil sie sonst verhungert wären, das ist richtig.«
            »Müssen wir in Australien mit frei herumlaufenden, wild gewordenen Sträflingen rechnen?«
            »Nein. Sie sitzen ihre Strafe ab und werden dann begnadigt. Wenn sie rückfällig werden, ist ihr Leben nichts mehr wert. Dann werden sie in ein Höllenloch namens Norfolk Island verbracht. Aber im Großen und Ganzen gesehen haben freigelassene Sträflinge sich gut bewährt. Was Herrn Pastor Beitz’ Theorie bestätigt, die besagt, dass ein Mann, wenn er eine gute Ausgangsposition bekommt, zur Ziellinie strebt. Übrigens waren meine Großeltern auch Sträflinge.«
            »Gütiger Gott!« Hubert war es selbst peinlich, dass er so schockiert reagierte und alle Höflichkeit vergaß.
            »Das ist nicht weiter schlimm«, sagte Henderson leichthin. »Mein Großvater wurde in London geboren. Arm wie eine Kirchenmaus. Er stahl ein Paar Stiefel und wurde zu sieben Jahren in Sydney verurteilt. Doch niemand sagte ein Wort darüber, wie er und die anderen dann wieder nach Hause kommen sollten, und so blieben sie eben. Meiner Großmutter erging es genauso. Sie war Irin, eine kämpferische kleine Frau. Ihre Herrin hatte sie wegen eines zerbrochenen Tellers verprügeln lassen, und was tat sie? Nachdem sie bestraft worden war, marschierte sie, noch blutüberströmt, zurück ins Haus und versetzte ihrer Herrin eine gehörige Ohrfeige. So wurde auch sie deportiert. Nach Sydney.«
            »Oh weh! Wie entsetzlich für die junge Frau.«
            »Nun, das kann man wohl sagen«, versetzte Henderson finster. »An Bord des Transportschiffes wurde sie von einem Offizier vergewaltigt. Sie brachte das Kind, meinen Vater, in Sydney in einer Gefängniszelle zur Welt, dann wurde sie mit dem Kind hinaus auf eine Farm geschickt, wo sie als Milchmagd arbeiten sollte. Dort lernte sie meinen Großvater, der als Schäfer arbeitete, kennen und heiratete ihn.«
            Hubert lauschte fasziniert. »Aber Sie sind ein gebildeter Mann, John. Wie kam es dazu?«
            »Ah, Australien hat eigene Regeln. Meine Großeltern leisteten ihre Zeit ab, erhielten die Freiheit zurück, reisten dann nach Norden ins Hinterland und arbeiteten

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