Im Land der tausend Sonnen
ärmeren Mitglieder der Gruppe Zuschüsse zur Überfahrt auf dem Zwischendeck erhielten, damit die gemeinsame Kasse, wie sie ihren Auswanderungsfonds nannten, lediglich den Rest zu übernehmen brauchte. Sie gingen nach dem Prinzip vor, dass alle, die es aufbringen konnten, die Fahrt aus eigener Tasche bezahlten, oder wenigstens so viel, wie sie erübrigen konnten.
Diejenigen, die auf Grund ihrer Armut auswanderten, brauchten überhaupt nichts zu bezahlen, und Hubert fand diese Regelung sehr gerecht.
Endlich kam der Tag, an dem Hubert sich festlegen musste, und er begann damit, dass er seiner Familie seinen Plan vorstellte. Es enttäuschte ihn, dass keiner von ihnen seine Begeisterung teilte. Seine Söhne, in ihren blauen Uniformen mit Litzen und Messingknöpfen, mit ihren Pickelhauben und hohen glänzenden Stiefeln prächtig anzusehen, waren zum Verdruss ihres Vaters sehr zufrieden mit ihrem neuen Leben in der Armee. Sie gaben sogar zu, dass sie das Militär der Arbeit im Familienunternehmen vorzogen.
»Bei allem Respekt, Vater«, sagte Ernst, »wir wissen zu schätzen, was du für uns getan hast, aber unsere Arbeit war langweilig.«
»Unerträglich«, bekräftigte Erik. »Wirklich einschläfernd. Aber die Armee ist aufregend, immer ist etwas los, und unsere Freunde sind prächtige Burschen.«
»Was ist das für ein Unsinn?«, brauste Hubert auf, ganz wie sein Großvater. »Die Armee ist kein Maskenspiel, kein Bühnenstück zu eurer Belustigung.«
»Ich weiß, Vater«, sagte Erik beschwichtigend. »Du sollst nur wissen, dass es nicht so schlimm ist, wie wir angenommen hatten. Aber deine Idee auszuwandern … Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«
Sie führten ein langes Gespräch, und schließlich sahen die Jungen den Standpunkt des Vaters ein. Sie betrachteten seinen Plan als ein neuerliches großes Abenteuer, noch dazu mit der Aussicht auf Wohlstand, und keiner von ihnen bedauerte, dass das Familienunternehmen verkauft werden sollte. Sie waren vielmehr erleichtert.
»Sobald ich alles geregelt habe, könnt ihr diese flotten Uniformen ausziehen«, sagte Hubert. »Ihr habt jetzt noch mehr als ein Jahr vor euch, doch die Zeit werde ich wohl für die Vorbereitungen brauchen.«
»Aber was ist, wenn Pastor Beitz und seine Leute abreisen wollen, während die Jungen noch beim Militär sind?«, fragte seine Frau besorgt.
»Dann werden wir eben auf sie warten müssen.«
Sie nahm Hubert beiseite und flüsterte: »Kannst du nicht alles ein wenig beschleunigen? Wir sollten so bald wie möglich aufbrechen. Ich finde es unerträglich, dass die beiden beim Militär sind, und es wundert mich, dass du es zulässt, zumal die Franzosen schon wieder für Unruhe sorgen.«
»Gabriele, mehr konnte ich nicht tun.«
»Oh doch. Ich bin weiß Gott nicht gerade glücklich über dein gewagtes Vorhaben, wenn man auch sagt, Seereisen seien gut für die Gesundheit …«
»Das sind sie auch, Gabriele. Du kränkelst schon seit langer Zeit«, fiel er ihr eifrig ins Wort, um das Flämmchen der Zustimmung am Leben zu erhalten. »Die Reise wird dir gut tun.«
»Darum geht es nicht. Ich möchte, dass du die Überfahrt buchst und uns so schnell wie möglich an Bord eines Schiffes bringst. Wir nehmen die Jungen mit. Die Österreicher könnten wieder angreifen, oder die Franzosen. Wir müssen die beiden in Sicherheit bringen.«
Hubert erschrak. Seine Frau, gewöhnlich so scheu und zurückhaltend, wirkte unerbittlich.
»Das können wir nicht tun. Es verstößt gegen das Gesetz.«
»Wen stört es? Was können sie schon dagegen tun? Bis sie es merken, sind wir längst fort. Die Jungen sind dann auf hoher See, außerhalb ihrer Reichweite. Deine Idee, ans andere Ende der Welt überzusiedeln, ist ideal für uns. Dort draußen wird man sie niemals fassen.«
»Aber das ist Fahnenflucht!«, stammelte Hubert. »Das dürfen sie nicht tun.«
»Sie müssen! Wer würde dort im fremden Land schon davon erfahren? Kein Mensch!«
»Es geht nicht darum, wer davon weiß oder nicht, meine Liebe. Es geht um ihre Ehre.«
»Oh! Ich verstehe. Und was ist so ehrenhaft an deinem Versuch, sie loszukaufen? Hohe Offiziere zu
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