Im Land der tausend Sonnen
Führung der Lagerhäuser immer mehr auf seine Söhne verlassen. Erik und Ernst hatten ihre Arbeit so tüchtig und zuverlässig versehen, dass er sich nicht mehr darum zu kümmern brauchte. Jetzt fehlten sie ihm an allen Ecken und Enden. Ihre Nachfolger waren nachlässige, leichtsinnige Burschen, die täglich für Verwirrung und Ärger sorgten.
Als er nach Hause ging, ganz der erfolgreiche Geschäftsmann in seinem feinen Frack, mit dem dunklen Hut und dem Stock mit der silbernen Spitze, fühlte er sich ein wenig wie ein Hochstapler. Er wusste, dass er seine bisherige Rolle ablegen und sie nach einer langen Reise über die großen Ozeane gegen die süße Ruhe des Landlebens eintauschen würde. Es war fast, als bereitete er sich wie ein ungezogener Schuljunge aufs Schwänzen vor, und der Unsinn eines solchen Gedankens entlockte ihm ein Lächeln und beschwingte seinen Schritt an diesem schönen Nachmittag.
Die Tür zu seinem Haus stand offen. Verwundert spähte Hubert ins Hausinnere, als sei er ein Fremder, und betrat mit gerunzelter Stirn die verlassene Eingangshalle. Es war so still im Haus, dass eine Uhr, die die Viertelstunde schlug, ihn erschreckte, und er fuhr herum und wäre beinahe über die weiße Katze gestolpert, die an ihm vorüberhuschte.
Hubert schloss die Tür, legte Hut und Stock an der Garderobe ab und klingelte nach der Haushälterin. Als keine Reaktion erfolgte, klingelte er noch einmal und stampfte zornig mit dem Fuß auf. In seinem eigenen Haus würde er nicht laut rufen oder in der Küche suchen, und so wollte er bereits sein Arbeitszimmer aufsuchen, als Lily, die Haushälterin, über ihm auf dem Treppenabsatz erschien.
»Oh, Sie sind zurück, gnädiger Herr«, rief sie weinend. Sie weinte!
Hubert lief, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf und packte Lily am Arm, bevor sie sich abwenden konnte.
»Was ist los? Was ist passiert?«, rief er und hätte sie um ein Haar geschüttelt. »Meine Frau. Ist sie krank?«
Lily sah ihn mit tränenüberströmtem Gesicht an. »Bitte, gnädiger Herr, der Arzt ist bei ihr. Und Fräulein Adele.«
Sie trat zurück und drückte sich an die Wand, als er weiterging, in der festen Überzeugung, dass Gabriele nun dem Tod ins Angesicht sah.
Er eilte den Flur entlang und sah den Arzt aus dem ehelichen Schlafzimmer kommen. Seine Miene drückte höchste Sorge aus, als er die Tür leise hinter sich schloss.
»Wie geht es ihr?«, fragte Hubert flehend, doch der Arzt hob die Hand, als wollte er ihn am Betreten seines eigenen Schlafzimmers hindern.
»Was soll das?«, fragte er. »Ich muss zu meiner Frau.«
»Einen Augenblick bitte noch. Ich möchte zunächst ein Wort mit Ihnen reden. Setzen wir uns.«
Hubert, der sich plötzlich sehr verletzlich und schwach in den Knien fühlte, ließ sich zu einem Sofa am Kopf der Treppe führen.
»Sie müssen jetzt stark sein …«, setzte der Arzt an, doch Hubert winkte ab.
»Um Gottes willen! Meine Frau … Was ist mit ihr?«
»Sie hat einen Schlag erlitten, Hubert, doch sie erholt sich wieder …«
»Lieber Himmel!«
»Ja, sie wird sich erholen, aber Gott, der Herr, verlangt noch mehr von Ihnen. Mir fehlen die Worte, um Ihnen zu sagen, wie Leid es mir tut, dass ich … es ist meine traurige Pflicht …« Er hatte Tränen in den Augen. »Erik und Ernst … sie sind gefallen … Die Franzosen, bei …«
»Nein! Nein! Das kann nicht sein! Doch nicht alle beide. Ausgeschlossen.«
»Es war ein Hinterhalt, Hubert. Sie waren sehr mutig … ihr Oberst sagte … stolz auf sie. Sie haben sich gewehrt, so gut sie konnten. Kämpften Seite an Seite. Der Oberst selbst wird …«
Er redete immer noch, als Hubert aufstand. »Ich habe versucht, es Ihrer Frau so schonend wie möglich beizubringen, Hubert, aber sie will es nicht akzeptieren. Vielleicht könnten Sie …«
Doch Hubert taumelte davon, zu schockiert, um ihn noch zu hören. Er lief die Treppe hinunter zu seinem Arbeitszimmer und schlug die Tür hinter sich zu, bevor er weinend zusammenbrach. Er musste sich sehr beherrschen, um nicht vor Zorn zu brüllen, weil er das hatte geschehen lassen. Er hätte auf seine Frau hören sollen. Hätte sie
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