Im Land der weissen Rose
machte sich die Mühe, was ihm ein
strahlendes Lächeln der rothaarigen jungen Frau einbrachte, die
eben hereinkam. Sie trug ein elegantes, beigefarbenes
Nachmittagskleid mit Stickereien in der leuchtenden Indigo-Färbung
ihrer Augen.Allerdings entsprach ihr Teint nicht dem modischen Blass
der Damen in London. Stattdessen war ihr Gesicht leichtgebräunt,
und sie versuchte offensichtlich nicht, die Sommersprossen zu
bleichen.Auch ihre kunstvolle Frisur war nicht lehrbuchmäßig,
denn ein paar Locken lösten sich bereits.
»Das Ding werden wir jetzt ewig da liegen lassen«,
erklärte sie mit Blick auf die Visitenkarte. »Es wird
meinen Schwiegervater glücklich machen! Guten Tag und willkommen
auf Kiward Station. Ich bin Gwyneira Warden. Kommen Sie herein, und
machen Sie es sich bequem. Mein Schwiegervater müsste bald
zurück sein. Oder möchten Sie sich zunächst frisch
machen und zum Abendessen umziehen? Es soll ein großes Dinner
werden ...«
Gwyneira wusste, dass sie mit diesem Wink mit dem Zaunpfahl die
Grenzen des guten Benehmens überschritt. Aber der junge Mann
hier sah einfach nicht so aus, als erwarte er bei einem Besuch im
Busch ein mehrgängiges Dinner, für das die Gastgeber sich
in Abendkleidung warfen. Wenn er in den Reithosen und der Lederjacke
erschien, die er jetzt trug, würde Lucas konsterniert und Gerald
möglicherweise beleidigt sein.
»George Greenwood«, stellte George sich lächelnd
vor. Zum Glück wirkte er nicht böse. »Vielen Dank für
den Hinweis, ich würde mich gern erst mal waschen. Sie haben ein
wunderschönes Haus, Mrs. Warden.« Er folgte Gwyneira in
den Salon und stand bewundernd vor den eindrucksvollen Möbeln
und dem großen Kamin.
Gwyn nickte. »Ich persönlich finde es ein bisschen
groß, aber mein Schwiegervater hat es von den berühmtesten
Architekten entwerfen lassen. Die Möbel kommen alle aus England.
Cleo, komm von dem Seidenteppich herunter! Und vergiss die Idee,
darauf deine Jungen zu werfen!«
Gwyn hatte zu einer rundlichen Colliehündin gesprochen, die
auf einem erlesenen Orientteppich vor dem Kamin gelegen hatte. Jetzt
stand sie beleidigt auf und trollte sich zu einem anderen, sicher
kaum weniger wertvollen Vorleger.
»Sie fühlt sich sehr wichtig, wenn sie trächtig
ist«, bemerkte Gwyneira und streichelte die Hündin. »Aber
das kann sie auch. Sie bringt die besten Hütehunde der Gegend
hervor, in den Canterbury Plains wimmelt es inzwischen von kleinen
Cleos. Allerdings meist Enkelkinder,ich lasse sie nur sehr selten
decken. Sie soll nicht fett werden!«
George wunderte sich. Nach den Erzählungen des Bankdirektors
und Peter Brewsters hatte er sich die fast kinderlose Herrin auf
Kiward Station als prüde und höchst vornehme Lady
vorgestellt.Aber jetzt sprach Gwyneira ganz selbstverständlich
von Hundezucht und ließ einen Hütehund nicht nur ins Haus,
sondern auch noch auf die Seidenteppiche! Ganz abgesehen davon, dass
sie die nackten Füße des Dienstmädchens mit keinem
Wort erwähnt hatte.
Freundlich plaudernd führte die junge Frau ihren Besucher in
ein Gästezimmer und wies den Hausdiener an, seine Satteltaschen
zu holen.
»Und sag Kiri bitte, sie möchte ihre Schuhe anziehen!
Lucas kriegt Zustände, wenn sie so serviert!«
»Mummy, warum muss ich Schuhe anziehen? Kiri trägt auch
keine!«
George traf Gwyneira und ihre Tochter auf dem Korridor vor seinem
Zimmer, als er sich eben anschickte, zum Essen herunterzugehen. Er
hatte sein Bestes getan, was Abendkleidung betraf. Der hellbraune
Anzug war ein wenig zerknittert, aber maßgefertigt und sehr
viel kleidsamer als die bequemen Lederhosen und die Wachsjacke,die er
in Australien erworben hatte.
Elegant gekleidet waren auch Gwyneira und das hinreißende,
rothaarige kleine Mädchen, das so lautstark mit ihr zankte.
Gwyneira trug ein türkisfarbenes Abendkleid, nicht die
allerneueste Mode, aber so atemberaubend raffiniert geschnitten, dass
es auch in den besten Londoner Salons für Aufsehen gesorgt hätte
– zumindest, wenn eine so schöne Frau wie Gwyneira darin
steckte. Dem kleinen Mädchen hatte man ein hellgrünes
Hängerkleid angezogen, das allerdings fast gänzlich von
seiner Fülle rotgoldener Locken verdeckt wurde. Wenn Fleurs Haar
offen herunterhing, stand es zudem seitlich etwas ab und kräuselte
sich wie das eines
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