Im Land der weissen Rose
Waffe
griff ...«
»Sie wollen nicht ernsthaft dem Opfer die Schuld geben!«,
rügte Hanson streng. »Die alte Jagdflinte war doch keine
Bedrohung!«
»Das stimmt«, lenkte George ein. »Was ich sagen
wollte, war eher... nun, es waren höchst unglückliche
Umstände. Diese dumme Schlägerei, der schreckliche Unfall.
Wir alle hätten eher eingreifen müssen. Aber ich denke, die
Untersuchung kann warten, bis Paul zurückkommt.«
»Falls er zurückkommt!«, brummte Hanson. »Ich
hätte nicht übel Lust, einen Suchtrupp auszuschicken.«
»Meine Männer stehen Ihnen gern zur Verfügung«,
erklärte Gwyneira. »Glauben Sie mir – ich sähe
meinen Sohn auch lieber in Ihrem sicheren Gewahrsam als irgendwo
allein im Hochland. Zumal er von den Maori-Stämmen keine
Unterstützung zu erwarten hat.«
Damit hatte sie zweifellos Recht. Denn obwohl der Sheriff zunächst
auf eine Untersuchung verzichtete und auch nicht den Fehler beging,
den Vieh-Baronen mitten in der Schur ihre Arbeiter zwecks Aufstellung
eines Suchtrupps zu entziehen: Tonga nahm die Angelegenheit nicht
einfach so hin. Paul hatte Marama. Egal ob sie freiwillig mit ihm
gegangen war oder nicht – Paul hatte das Mädchen, das
Tonga wollte. Und jetzt endlich schützten Paul die Mauern der
pakeha-Häuser nicht mehr. Es gab nicht mehr den reichen
Viehzüchter und den Maori-Jungen, den keiner richtig ernst nahm.
Jetzt gab es nur noch zwei Männer im Hochland. Für Tonga
war Paul vogelfrei. Doch vorerst wartete er. Er war nicht so dumm wie
die Weißen, dem Geflohenen kopflos hinterherzusetzen.
Irgendwann würde er erfahren, wo Paul und Marama steckten. Und
dann würde er ihn finden.
Gwyneira und Helen beerdigten Gerald Warden und Howard O’Keefe.
Danach nahmen beide ihr Leben wieder auf, wobei sich für
Gwyneira nicht viel änderte. Sie organisierte die Schafschur und
machte zunächst den Maoris ein Friedensangebot.
Mit Reti als Dolmetscher wanderte sie ins Dorf und nahm die
Verhandlungen auf.
»Ihr sollt das Land haben, auf dem euer Dorf steht«,
erklärte sie und lächelte verunsichert. Tonga stand ihr mit
starrem Gesicht gegenüber, gestützt auf das Heilige Beil
als Zeugnis seiner Häuptlingswürde. »Ansonsten müssen
wir uns etwas überlegen. Ich habe nicht viel Bargeld –
nach der Schafschur wird das allerdings etwas besser aussehen, und
vielleicht können wir auch Wertanlagen verkaufen. Ich bin noch
nicht sehr weit mit Mr. Geralds Nachlass.Aber sonst ... wie wäre
es mit dem Land zwischen unseren eingezäunten Weiden und O’Keefe
Station?«
Tonga zog eine Augenbraue hoch. »Miss Gwyn, ich weiß
Ihre Bemühungen zu schätzen, aber ich bin nicht dumm. Ich
weiß genau, dass Sie keinerlei Handhabe besitzen, hier
irgendwelche Angebote zu machen. Sie sind nicht die Erbin von Kiward
Station – tatsächlich gehört die Farm Ihrem Sohn
Paul. Und Sie wollen nicht ernsthaft behaupten, er hätte Sie
ermächtigt, in seinem Namen mit mir zu verhandeln?«
Gwyneira schlug die Augen nieder. »Nein, das hat er
nicht.Aber, Tonga, wir leben hier zusammen. Und wir haben immer in
Frieden gelebt ...«
»Ihr Sohn hat diesen Frieden gebrochen!«, sagte Tonga
hart. »Er hat mich und meine Leute beleidigt ... Ihr Mr. Gerald
hat zudem meinen Stamm betrogen. Das ist lange her, ich weiß,
aber wir haben länger gebraucht, um es herauszufinden. Eine
Entschuldigung dafür istbislang nicht erfolgt...«
»Ich entschuldige mich!«, meinte Gwyn.
»Sie tragen nicht das Heilige Beil! Ich akzeptiere Sie
durchaus, Miss Gwyn, als tohunga. Sie verstehen mehr von Viehzucht
als die meisten Ihrer Männer.Aber rechtlich gesehen sind Sie
nichts und haben nichts.« Er wies auf ein kleines Mädchen,
das am Rand des Verhandlungsplatzes spielte. »Kann dieses Kind
für die Kai Tahu sprechen? Nein. Ebenso wenig sprechen Sie, Miss
Gwyn, für den Stamm der Wardens.«
»Aber was machen wir dann?«, fragte Gwyn verzweifelt.
»Das Gleiche wie zuvor. Wie befinden uns im Kriegszustand.
Wir werden Ihnen nicht helfen, im Gegenteil, wir werden Sie
behindern, wo es nur geht. Wundern Sie sich nicht, dass niemand Ihre
Schafe scheren will? Wirhaben das verhindert. Wir werden auch Ihre
Straßen sperren, den Abtransport Ihrer Wolle behindern –
wir lassen die Wardens nicht zur Ruhe kommen,
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