Im Land der weissen Rose
zeigte sich ziemlich
charmant. Gelassen tauschte er die üblichen Höflichkeiten
mit der jungen Frau und fand lobende Worte für den Gesang der
Schulkinder.
»So, und Sie wollen also heiraten ...«, brummte er
dann, als weiter nichts zu sagen war.
Helen nickte eifrig. »Ja, Sir, so Gott will. Ich vertraue
darauf, dass der Herr mir den Weg in eine glückliche Ehe weist
... Vielleicht ist Ihnen mein Zukünftiger ja auch nicht
unbekannt? Howard O’Keefe aus Haldon, Canterbury. Er besitzt
eine Farm.«
Gwyneira hielt den Atem an. Vielleicht hätte sie Helen doch
von Geralds letztem Ausbruch bei der Erwähnung ihres Verlobten
erzählen sollen! Doch die Sorge erwies sich als unbegründet.
Gerald hielt sich heute eisern unter Kontrolle.
»Ich hoffe, Sie bewahren sich da Ihren Glauben«,
bemerkte er nur mit schiefem Grinsen. »Der Herr treibt nämlich
manchmal die seltsamsten Scherze mit seinen unschuldigsten Schäfchen.
Und was Ihre Frage angeht ... nein. Ein ›Gentleman‹
namens Howard O’Keefe ist mir gänzlich unbekannt.«
Die Dublin durchsegelte jetzt den Indischen Ozean, der vorletzte,
längste und gefährlichste Abschnitt der Reise. Zwar war die
See selten rau, aber die Route führte weit übers Meer. Seit
Wochen hatten die Passagiere kein Land mehr gesehen, und Gerald
Warden zufolge waren die nächsten Ufer Hunderte von Meilen weit
entfernt.
Das Leben an Bord hatte sich inzwischen eingespielt, und dank des
tropischen Wetters hielten sich alle mehr an Deck auf statt in der
drangvollen Enge der Kabinen. Dabei lockerte sich die strenge
Unterteilung in erste Klasse und Zwischendeck immer auffälliger.
Neben den Gottesdiensten fanden jetzt auch gemeinsame Konzerte und
Tanzveranstaltungen statt. Die Männer auf dem Zwischendeck
arbeiteten weiter an ihrer Technik des Fischfangs und waren
schließlich erfolgreich. Sie harpunierten Haie und Barrakudas
und fingen Albatrosse, indem sie Leinen mit einer Art Angelhaken und
Fischen als Köder hinter dem Schiff herzogen. Der Duft nach
gegrilltem Fisch oder Geflügel zog dann übers ganze Deck,
und den nicht beteiligten Familien lief das Wasser im Munde zusammen.
Helen erhielt mitunter Zuwendungen.Als Lehrerin war sie hoch
geachtet, und inzwischen konnten fast alle Zwischendeck Kinder besser
lesen und schreiben als ihre Eltern.Außerdem er schmeichelte
Daphne sich fast jedes Mal eine Portion Fisch oder Fleisch. Wenn
Helen nicht aufpasste wie ein Luchs, schlich sie schon während
der Angelaktion um die Fischer herum, bewunderte ihre Kunst und
schaffte es mit Wimpernklimpern und Schmollmund,die Aufmerksamkeit
auf sich zu lenken. Besonders die jungen Männer buhlten um ihre
Gunst und ließen sich dabei zum Teil zu gefährlichen
Mutproben hinreißen. Daphne applaudierte scheinbar entzückt,
wenn sie ihre Hemden,Schuhe und Strümpfe ablegten, um sich von
der johlenden Mannschaft ins Wasser abseilen zu lassen. Dabei hatten
weder Helen noch Gwyneira das Gefühl, als machte Daphne sich
wirklich etwas aus einem der Jungen.
»Sie hofft, dass ein Hai anbeißt«, bemerkte
Gwyneira, als ein junger Schotte sich beherzt kopfüber in die
Fluten stürzte und sich dann von der Dublin mitziehen ließ
wie ein Köder am Angelhaken. »Wetten, dass sie keinerlei
Skrupel hätte, das Tier dann trotzdem zu verspeisen?«
»Es wird Zeit, dass die Reise zu Ende geht«, seufzte
Helen. »Sonst werde ich noch von der Lehrerin zum
Gefängniswärter. Diese Sonnenuntergänge zum Beispiel
... ja, sie sind wunderschön und romantisch, aber das finden die
Jungen und Mädchen natürlich auch. Elizabeth schwärmt
von Jamie O’Hara, den Daphne längst hat fallen lassen,
nachdem alle Würste gegessen waren. Und Dorothy wird täglich
von ungefähr drei jungen Männern bedrängt, nachts mit
ihnen das phosphoreszierende Meer zu betrachten.«
Gwyneira lachte und spielte mit ihrem Sonnenhut. »Daphne
dagegen sucht ihren Traumprinzen nicht auf dem Zwischendeck. Gestern
hat sie mich gefragt, ob sie nicht vom Oberdeck aus dem
Sonnenuntergang zusehen könnte, da wäre die Aussicht doch
viel besser. Wobei sie den jungen Viscount Barrington beäugt hat
wie der Hai den Köder.«
Helen verdrehte die Augen. »Man sollte sie bald verheiraten!
Oh, Gwyn, mir wird himmelangst, wenn ich bedenke, dass ich die
Mädchen in nur zwei oder drei Wochen irgendwelchen
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