Im Land der weissen Rose
Terrasse nicht gewesen, hätte er beinahe
düster gewirkt. Auf jeden Fall war er nicht nach neuester Mode
gestaltet; die Möbel und Teppiche gingen eher als Antiquitäten
durch. Vielleicht die Aussteuer von Lucas’ Mutter? Wenn ja,
musste ihre Familie vermögend gewesen sein.Aber das war ohnehin
nahe liegend. Gerald mochte ein erfolgreicher Schafzüchter sein,
war früher bestimmt ein verwegener Seefahrer und ganz sicher der
ausgefuchsteste Kartenspieler, den die Walfangkolonien je
hervorgebracht hatten.Aber um ein Haus wie Kiward Station in die
völlige Wildnis zu stellen,benötigte man mehr Geld, als mit
Walfang und Schafen zu verdienen war. Bestimmt war Mrs. Wardens Erbe
hier mit eingeflossen.
»Kommen, Miss Gwyn?«, fragte Kiri freundlich, aber ein
wenig besorgt. »Ich Sie soll helfen, aber auch machen Tee und
servieren. Moana nicht gut mit Tee, ist besser, wir fertig, bevor
lässt Tasse fallen.«
Gwyneira lachte. Das konnte sie Moana durchaus nachsehen.
»Ich werde diesmal den Tee eingießen«, erklärte
sie dem verwunderten Mädchen. »Alter englischer Brauch.
Habe ich jahrelang geübt. Gehört zu den Fertigkeiten, die
man zum Heiraten unbedingt braucht. «
Kiri betrachtete sie mit gerunzelter Stirn. »Sie fertig für
Mann, wenn machen Tee? Bei uns ist wichtig erste Blutfluss...«
Gwyneira wurde umgehend rot. Wie konnte Kiri nur so offen von so
etwas Unaussprechlichem reden!Andererseits war Gwyneira dankbar für
jede Information. Der monatliche Blutfluss war Voraussetzung für
eine Ehe – das traf auch für ihre Kultur zu. Gwyneira
wusste noch genau, wie ihre Mutter geseufzt hatte, als es auch bei
Gwyn so weit gewesen war. »Ach, Kind«, hatte sie gesagt,
»jetzt trifft dich auch dieser Fluch. Wir werden einen Mann für
dich suchen müssen.«
Wie das allerdings zusammenhing, hatte dem Mädchen niemand
erklärt. Gwyneira unterdrückte die Anwandlung, hysterisch
zu kichern, wenn sie an das Gesicht ihrer Mutter bei solchen Fragen
dachte.Als Gwyn einmal mögliche Parallelen zur Läufigkeit
beim Hund angesprochen hatte, verlangte Lady Silkham nur nach ihrem
Riechsalz und zog sich den ganzen Tag in ihr Zimmer zurück.
Gwyneira sah sich nach Cleo um, die ihr selbstverständlich
folgte. Kiri schien das ein wenig befremdlich zu finden, äußerte
sich aber nicht dazu.
Vom Salon aus führte eine breite, geschwungene Treppe hinauf
zu den Wohnräumen der Familie. Zu Gwyneiras Überraschung
waren ihre Zimmer bereits vollständig eingerichtet.
»Zimmer sollten sein für Frau von Mr. Gerald«,
klärte Kiri sie auf. »Aber dann gestorben. Zimmer immer
leer. Aber jetzt Mr. Lucas hat gemacht fertig für Sie!«
»Mr. Lucas hat die Zimmer für mich eingerichtet?«,
fragte Gwyneira erstaunt.
Kiri nickte. »Ja. Hat ausgesucht Möbel von Speicher und
geschickt nach ... wie sagen? Leinen für Fenster ...?«
»Gardinen, Kiri«, half ihr Gwyneira, die aus dem
Staunen gar nicht mehr herauskam. Die Möbel der verstorbenen
Mrs. Warden waren aus hellem Holz,die Teppiche in altrosa, beige und
blau gehalten. Dazu hatte Lucas oder jemand anders dezente, altrosa
Vorhänge aus Seide mit beige-blauer Bordüre ausgewählt
und geschickt vor den Fenstern und vor ihrem Bett drapiert. Das
Bettzeug bestand aus schneeweißem Leinen; eine blaue Tagesdecke
machte die Schlafstatt wohnlich. Neben dem Schlafzimmer gab es einen
Ankleideraum und einen kleinen Salon, auch dieser äußerst
geschmackvoll mit kleinen Sesseln, einem Teetisch und einem
Nähschränkchen eingerichtet.Auf dem Kaminsims befanden sich
die üblichen Silberrähmchen, Kerzenleuchter und Schalen. In
einem der Bilderrahmen steckte die Daguerreotypie einer hellhaarigen,
schlanken Frau. Gwyneira nahm das Bild in die Hand und schaute es
genau an. Gerald hatte nicht übertrieben. Seine verstorbene Frau
war eine vollkommene Schönheit gewesen.
»Sie jetzt umkleiden, Miss Gwyn?«, drängte Kiri.
Gwyneira nickte und machte sich gemeinsam mit dem Maori-Mädchen
an das Auspacken des Koffers. Voller Ehrfurcht vor den edlen Stoffen
brachte Kiri die Fest- und Nachmittagskleider Gwyneiras zum
Vorschein.
»So schön, Miss Gwyn! So glatt und weich!Aber Sie dünn,
Miss Gwyn. Nicht gut für Kinderkriegen!«
Kiri nahm wirklich kein Blatt vor den Mund. Gwyneira erklärte
ihr lachend, sie sei nicht wirklich so
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