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Im Land der weissen Rose

Im Land der weissen Rose

Titel: Im Land der weissen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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dünn, sondern verdanke
dies ihrem Schnürkorsett. Für das Seidenkleid, das sie
auswählte, musste dieses Korsett denn auch straffer gezogen
werden. Kiri mühte sich redlich, als Gwyneira ihr die Handgriffe
zeigte, hatte aber offensichtlich Skrupel, ihrer neuen Herrin
wehzutun.
    Â»Das macht nichts, Kiri, ich bin es gewöhnt«,
ächzte Gwyn. »Meine Mutter pflegte zu sagen: Wer schön
sein will, muss leiden.«
    Kiri schien erstmals zu verstehen. Mit einem verlegenen Lachen
griff sie in ihr tätowiertes Gesicht. »Ach so! Ist wie
moku, ja? Nur jeden Tag wieder!«
    Gwyneira nickte. Im Prinzip stimmte das. Ihre Wespentaille war
genauso unnatürlich und schmerzhaft wie Kiris bleibender
Gesichtsschmuck. Hier in Neuseeland gedachte Gwyn allerdings, die
Sitten ziemlich zu lockern. Eins der Mädchen musste lernen, ihre
Kleider auszulassen, dann brauchte sie sich beim Schnüren nicht
mehr derart zu kasteien. Und wenn sie erst schwanger war ...
    Kiri half ihr geschickt in das blaue Seidenkleid, tat sich dann
aber schwer mit der Frisur. Gwyneiras Locken zu entwirren war eine
schwierige Aufgabe, und sie aufzustecken erst recht. Kiri hatte das
offensichtlich auch noch nie getan. Schließlich half Gwyn
tatkräftig mit, und wenn das Ergebnis auch nicht den strengen
Regeln der Frisierkunst entsprach und Helen zweifellos entsetzt
gewesen wäre, fand Gwyn sich doch ausgesprochen reizvoll. Den
Großteil ihrer rotgoldenen Haarpracht hatten sie schließlich
gebändigt; die paar Locken, die sich trotzdem selbstständig
machten und ihr Gesicht umspielten, ließen ihre Züge
weicher und mädchenhafter wirken. Gwyns Haut glänzte nach
dem Ritt in der Sonne, ihre Augen blitzten vor Erwartung.
    Â»Ist Mr. Lucas inzwischen eingetroffen?«, fragte sie
Kiri.
    Das Mädchen zuckte die Schultern. Woher sollte sie das
wissen? Schließlich war sie die ganze Zeit mit Gwyneira hier
gewesen.
    Â»Wie ist Mr. Lucas denn so, Kiri?« Gwyn wusste, dass
ihre Mutter sie für diese Frage scharf gerügt hätte:
Man forderte das Personal nicht auf, über seine Herrschaft zu
tratschen. Doch Gwyneira konnte sich nicht beherrschen.
    Kiri zog gleichzeitig Schultern und Augenbrauen hoch, was lustig
aussah.
    Â»Mr. Lucas? Weiß nicht. Ist pakeha. Für mich alle
gleich.« Das Maori-Mädchen hatte sich die Frage nach
besonderen Eigenschaften ihrer Arbeitgeber offensichtlich noch nie
gestellt. Dann dachte sie aber doch noch einmal nach, als sie
Gwyneiras enttäuschten Gesichtsausdruck bemerkte. »Mr.
Lucas ... ist nett. Nie schreien, nie ärgerlich. Nett. Nur
bisschen dünn.«
    Â 

2
    Helen wusste kaum, wie ihr geschah, aber sie konnte die erste
Begegnung mit Howard O’Keefe jetzt auf keinen Fall weiter
hinauszögern.Aufgeregt glättete sie ihr Kleid und fuhr über
ihr Haar. Sollte sie das Hütchen jetzt abnehmen oder
aufbehalten? Immerhin befand sich ein Spiegel in Mrs. Baldwins
Empfangszimmer, und Helen warf unsicher einen Blick hinein, noch
bevor sie den Mann auf dem Sofa musterte. Der drehte ihr zurzeit
sowieso den Rücken zu, Mrs. Baldwins Sitzgarnitur war dem Kamin
zugewandt. So hatte Helen wenigstens Zeit zu einem kurzen,
verstohlenen Blick auf seine Gestalt, bevor sie sich bemerkbar
machte. Howard O’Keefe wirkte massig und angespannt. Deutlich
gehemmt balancierte er ein dünnwandiges Tässchen aus Mrs.
Baldwins Teeservice in seinen großen, schwieligen Händen.
    Helen wollte sich schon räuspern, um die Pfarrersfrau und
ihren Besucher auf sich aufmerksam zu machen.Aber dann wurde Mrs.
Baldwin ihrer ansichtig. Die Pastorin lächelte ausdruckslos wie
immer, gab sich aber herzlich.
    Â»Oh, da ist sie ja, Mr. O’Keefe! Sehen Sie, ich
wusste, sie würde nicht zu lange ausbleiben! Kommen Sie herein,
Miss Davenport! Ich möchte Ihnen jemanden vorstellen!«
Mrs. Baldwins Stimme klang beinahe neckisch.
    Helen trat näher. Der Mann erhob sich so abrupt vom Sofa,
dass er dabei fast das Teeservice vom Tisch fegte.
    Â»Miss ... äh, Helen?«
    Helen musste zu ihrem zukünftigen Mann aufsehen. Howard
O’Keefe war groß und schwer – nicht dick, aber von
kräftigem Knochenbau.Auch sein Gesichtsschnitt war eher derb,
allerdings nicht unsympathisch. Die gebräunte, ledrige Haut
sprach von langjähriger, harter Arbeit im Freien. Sie war von
tiefen Falten durchzogen, die auf ein reiches Mienenspiel
hindeuteten,

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