Im Land der weissen Rose
gelegentlich auf, wenn er eine
besonders drängende Frage stellte.
»Ich hörte, Sie spielen Piano, Lady Gwyneira. Woran
haben Sie zuletzt gearbeitet?« »Oh, ich beherrsche das
Piano höchst unvollständig. Ich spiele nur zum Spaß,
Mr. Lucas. Ich ... ich fürchte, ich bin entsetzlich unbegabt...«
Verlegener Blick von unten nach oben, leichtes Stirnrunzeln. Die
meisten Männer hätten das Thema jetzt mit einem Kompliment
abgetan. Nicht so Lucas.
»Das kann ich mir nicht vorstellen, Mylady. Nicht, wenn es
Ihnen Vergnügen bereitet.Alles, was wir mit Freude tun, wird uns
auch gelingen, davon bin ich überzeugt. Kennen Sie das
›Notenbüchlein‹ von Bach? Menuette und Tänze
– das würde zu Ihnen passen!« Lucas lächelte.
Gwyneira versuchte sich zu erinnern, wer die Etüden
komponiert hatte, mit denen Madame Fabian sie gequält hatte.
Immerhin hatte sie den Namen Bach schon einmal gehört. Hatte der
nicht Kirchenmusik komponiert?
»Sie denken bei meinem Anblick also an Choräle?«,
fragte sie schalkhaft. Vielleicht ließ die Unterhaltung sich ja
auf die Ebene eines lockeren Austausches von Komplimenten und
Neckereien herabziehen. Das hätte Gwyneira sehr viel besser
gelegen als ein Gespräch über Kunst und Kultur. Lucas
sprang allerdings nicht darauf an.
»Warum nicht, Mylady? Choräle sollten das Jubeln der
Engelsscharen zu Gottes Lob nachempfinden. Und wer wollte Gott nicht
preisen für ein so wunderschönes Geschöpf wie Sie?
Dabei fasziniert mich bei Bach besonders die fast mathematische
Klarheit der Komposition, vereint mit einer zweifellos tief
empfundenen Gläubigkeit. Natürlich kommt die Musik erst im
entsprechenden Rahmen wirklich zur Geltung. Was gäbe ich dafür,
einmal einem Orgelkonzert in einer der großen Kathedralen
Europas lauschen zu dürfen! Das ist...«
»Erleuchtend«, bemerkte Gwyneira.
Lucas nickte enthusiastisch.
Nach der Musik begeisterte er sich für die zeitgenössische
Literatur, allen voran für die Werke Bulwer-Lyttons –
»Erbaulich«, kommentierte Gwyneira –, um dann auf
sein Lieblingsthema einzugehen, die Malerei. Dabei begeisterte er
sich sowohl für die mythologischen Motive der
Renaissancekünstler – »Erhaben«, kommentierte
Gwyn– als auch für das Licht-und Schattenspiel in den
Werken von Velasquez und Goya. »Erfrischend«,
improvisierte Gwyneira, die noch nie davon gehört hatte.
Nach zwei Stunden schien Lucas begeistert von ihr, Gerald kämpfte
offensichtlich mit der Müdigkeit, und Gwyneira wollte nur noch
weg. Schließlich griff sie sich leicht an die Schläfe und
sah die Männer entschuldigend an.
»Ich fürchte, ich bekomme Kopfschmerzen nach dem langen
Ritt und jetzt der Wärme am Kamin. Ich sollte ein wenig an die
frische Luft ...«
Als sie Anstalten machte, sich zu erheben, sprang auch Lucas
sofort auf. »Natürlich, Sie werden sich ausruhen wollen
vor dem Dinner. Es war meine Schuld! Wir haben die Teestunde zu sehr
ausgedehnt, bei dieser anregenden Konversation.«
»Eigentlich möchte ich lieber einen kleinen Spaziergang
machen«, meinte Gwyneira. »Nicht weit, nur zu den
Ställen, auch um nach meinem Pferd zu sehen.«
Cleo tanzte bereits begeistert um sie herum.Auch die Hündin
hatte sich gelangweilt. Ihr vergnügtes Bellen weckte Geralds
Lebensgeister.
»Du solltest mitgehen, Lucas«, forderte er seinen Sohn
auf. »Zeig Miss Gwyn die Ställe, und pass auf, dass die
Viehtreiber sie nicht lüstern angrinsen.«
Lucas blickte indigniert. »Bitte nicht solche Ausdrücke
im Angesicht einer Lady ...«
Gwyneira bemühte sich, rot zu werden, doch im Grunde suchte
sie eher nach einer Ausrede, Lucas’ Begleitung abzulehnen.
Lucas hatte zum Glück ebenfalls Bedenken. »Ich weiß
nicht, Vater, ob ein solcher Ausgang nicht die Grenzen des Anstands
überschreitet«, fügte er hinzu. »Ich kann mich
unmöglich allein mit Lady Gwyneira in den Pferdeställen
aufhalten ...«
Gerald schnaubte. »In den Pferdeställen herrscht jetzt
wahrscheinlich ein Betrieb wie im Pub! Bei dem Wetter hängen die
Treiber doch im Warmen rum und spielen Karten!« Am späten
Nachmittag hatte Regen eingesetzt.
»Eben deshalb, Vater. Morgen würden sie sich die Mäuler
darüber zerreißen, dass die Herrschaft sich
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