Im Land Der Weissen Wolke
freundlich reagiert, sogar den Wunsch geäußert, Gwyns Freundin kennen zu lernen. Die Fehde zwischen den Wardens und den O’Keefes schien ihm nichts zu bedeuten.
Doch vor der Tür stand nicht Lucas, sondern James McKenzie.
Seine Augen leuchteten auf, als er Gwyn erblickte. Dabei musste er schon im Stall gesehen haben, dass sie da war. Schließlich wartete dort Igraine.
»Miss Gwyn! Gott sei Dank habe ich Sie gefunden!«
Gwyn spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.
»Mr. James ... kommen Sie doch herein. Wie nett, mich abzuholen.«
»Wie nett, Sie abzuholen?«, fragte er verärgert. »Reden wir hier von einer Teegesellschaft? Was haben Sie sich dabei gedacht, einfach den ganzen Tag auszubleiben? Mr. Gerald ist verrückt vor Sorge und hat uns alle hochnotpeinlichen Verhören unterzogen. Ich hab was von einer Freundin in Haldon erzählt, die Sie vielleicht besuchen. Und dann bin ich hergeritten, bevor er womöglich jemanden zu Mrs. Candler schickt und dann erfährt ...«
»Sie sind ein Engel, James!« Gwyneira strahlte, unbeeindruckt von seinem tadelnden Tonfall. »Nicht auszudenken, wenn er wüsste, dass ich eben den Sohn seines Erbfeindes auf die Welt geholt habe. Kommen Sie! Lernen Sie Ruben O’Keefe kennen!«
Helen schaute peinlich berührt, als Gwyn einfach den fremden Mann in ihr Zimmer führte, doch McKenzie verhielt sich ganz und gar korrekt, grüßte höflich und zeigte sich entzückt von dem kleinen Ruben. Gwyneira hatte dieses Leuchten auf seinem Gesicht schon öfter gesehen. McKenzie schien jedes Mal hingerissen, wenn er einem Lamm oder einem Fohlen auf die Welt half.
»Das haben Sie allein gemacht?«, fragte er anerkennend.
»Helen hat auch einen unwesentlichen Beitrag geleistet«, sagte Gwyn lachend.
»Sie haben es jedenfalls großartig hingekriegt!« James strahlte. »Sie beide! Aber ich würde Sie jetzt trotzdem gern nach Haus begleiten, Miss Gwyn. Das wäre sicher auch besser für Sie, Madam ...« Er wandte sich an Helen. »Ihr Mann ...«
»Wäre bestimmt nicht erbaut davon, dass eine Warden seinen Sohn entbunden hat.« Helen nickte. »Ich danke dir tausend Mal, Gwyn!«
»Oh, gern geschehen. Vielleicht kannst du dich irgendwann revanchieren.« Gwyneira zwinkerte ihr zu. Sie wusste nicht, warum sie plötzlich so viel optimistischer in Bezug auf eine baldige Schwangerschaft war. Aber all die neuen Erkenntnisse hatten sie beflügelt. Jetzt, da sie das Problem kannte, würde sie eine Lösung finden.
»Ich habe Ihr Pferd schon gesattelt, Miss Gwyn«, drängte James. »Wir sollten jetzt wirklich ...«
Gwyneira lächelte. »Dann sollten wir uns beeilen, damit mein Schwiegervater sich beruhigt!«, sagte sie vergnügt, wobei ihr einfiel, dass James kein Wort über Lucas erwähnt hatte. Machte ihr Gatte sich keine Sorgen?
Matahorua sah ihr nach, als sie McKenzie nach draußen folgte.
»Mit die Mann gute Kind«, bemerkte sie.
9
»Eine reizende Idee von Mr. Warden, das Gartenfest zu geben, nicht wahr?«, sagte Mrs. Candler. Gwyneira hatte ihr die Einladung zum Neujahrsfest eben überbracht. Da der Jahreswechsel auf Neuseeland in den Hochsommer fiel, würde die Feier im Garten stattfinden – mit einem Feuerwerk um Mitternacht als Höhepunkt.
Helen zuckte die Schultern. Wie immer war an ihren Mann und sie keine Einladung ergangen, doch Gerald hatte wahrscheinlich auch keinen anderen von den kleinen Farmern damit beehrt. Gwyneira machte ebenfalls nicht den Eindruck, als teile sie die Begeisterung. Nach wie vor fühlte sie sich mit dem Haushalt auf Kiward Station überfordert, und ein Fest würde neue organisatorische Höchstleistungen fordern. Und jetzt war sie auch erst mal damit beschäftigt, den kleinen Ruben zum Lachen zu bringen, indem sie Grimassen schnitt und ihn kitzelte. Helens Sohn war inzwischen vier Monate alt, und das Maultier Nepumuk schaukelte Mutter und Kind zu gelegentlichen Ausflügen in die Stadt. In den Wochen direkt nach der Geburt hatte Helen das nicht gewagt und war erneut ziemlich vereinsamt, doch mit dem Baby war ihr die Isolation auf der Farm weniger schwer gefallen. Der kleine Ruben beschäftigte sie anfänglich rund um die Uhr, und sie war nach wie vor entzückt von jeder seiner Lebensregungen. Dabei erwies das Kind sich nicht als schwierig. Schon mit vier Monaten schlief es meistens durch – zumindest, wenn es im Bett seiner Mutter bleiben durfte. Howard gefiel das gar nicht; er hätte gern wieder seine nächtlichen »Vergnügungen« mit Helen aufgenommen.
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