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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Anwesenheit schien ihn zu beflügeln; die Schere bewegte sich so schnell und gleitend über die Körper der Schafe, dass die Tiere kaum dazu kamen, blökend gegen diese rüde Behandlung zu protestieren.
    Lucas fand den Umgang mit den Schafen barbarisch. Er litt mit, wenn die Tiere gepackt, auf den Rücken geworfen und blitzschnell geschoren wurden, wobei es durchaus auch zu Schnitten in die Haut kam, wenn ein Scherer noch unerfahren war oder das Schaf zu sehr zappelte. Dazu konnte Lucas den durchdringenden Geruch nach Lanolin nicht ausstehen, der in den Scherschuppen herrschte, und ließ immer wieder Schafe entwischen, statt sie nach der Schur durch ein Bad zu treiben, das kleine Wunden reinigen und Schädlinge vernichten sollte.
    »Die Hunde hören nicht auf mich«, verteidigte er sich gegen einen erneuten Wutanfall seines Vaters. »Auf McKenzie reagieren sie, aber wenn ich rufe ...«
    »Diese Hunde ruft man nicht, Lucas, man pfeift nach ihnen!«, explodierte Gerald. »Es sind nur drei oder vier Pfiffe. Die solltest du langsam gelernt haben. Du bildest dir doch so viel auf deine Musikalität ein!«
    Lucas zog sich beleidigt zurück. »Vater, ein Gentleman ...«
    »Sag jetzt nicht, ein Gentleman pfeift nicht! Diese Schafe hier finanzieren deine Malerei, dein Klavierspiel und deine so genannten Studien ...«
    Gwyneira, die das Gespräch zufällig mitbekommen hatte, floh in den nächsten Schuppen. Sie hasste es, wenn Gerald ihren Mann vor ihren Augen herunterputzte – und noch schlimmer wurde es, wenn auch noch James McKenzie oder die anderen Farmarbeiter Zeugen der Auseinandersetzungen wurden. Das Ganze war Gwyneira peinlich und schien sich obendrein negativ auf Lucas und ihre nächtlichen »Versuche« auszuwirken, die immer öfter scheiterten. Gwyneira versuchte inzwischen, ihre gemeinsamen Bemühungen nur noch unter dem Aspekt der Fortpflanzung zu betrachten, denn letztlich lief die Sache nicht anders ab als zwischen Hengst und Stute, doch sie gab sich keinen Illusionen hin: Der Zufall musste schon sehr auf ihrer Seite sein. Allmählich dachte sie über Alternativen nach, wobei ihr immer wieder der alte Widder ihres Vaters einfiel, den er wegen mangelnder Deckleistung ausgemustert hatte.
    »Versuch mit andere Mann«, hatte Matahorua gesagt. Doch sobald Gwyn diese Worte in den Sinn kamen, verspürte sie Gewissensbisse. Es war völlig undenkbar für eine Silkham, ihren Gatten zu betrügen.

    Und nun also das Gartenfest. Lucas ging ganz in den Vorbereitungen auf. Allein die Planung des Feuerwerks erforderte Tage, die er über entsprechenden Katalogen verbrachte, um dann die Bestellung in Christchurch aufzugeben. Er übernahm auch die Ausgestaltung des Gartens sowie der Tische und Sitzgelegenheiten. Auf ein großes Bankett wurde diesmal verzichtet, stattdessen wurden Lämmer und Hammel an Feuern gegart, ebenso Gemüse, Geflügelfleisch und Muscheln auf Steinen nach Maori-Tradition. Salate und andere Beilagen standen auf langen Tafeln bereit und wurden den Besuchern auf Wunsch vorgelegt. Kiri und Moana beherrschten diese Aufgabe inzwischen gut; sie würden auch wieder die hübschen Uniformen tragen, die ihnen zur Hochzeit angemessen worden waren. Gwyneira beschwor sie, Schuhe anzuziehen.
    Ansonsten hielt sie sich aus den Vorbereitungen heraus; es war ein Hochseilakt, über Vater und Sohn hinweg Entscheidungen zu treffen. Lucas genoss die Planung des Festes und sehnte sich nach Anerkennung. Gerald dagegen empfand die Bemühungen seines Sohnes als »unmännlich« und hätte lieber alles Gwyn überlassen. Auch die Arbeiter wussten Lucas’ häusliche Beschäftigungen nicht zu würdigen, was natürlich weder Gwyneira noch Gerald verborgen blieb.
    »Der Schlappschwanz faltet Servietten«, bemerkte Poker auf McKenzies Frage, wo Mr. Lucas wieder einmal stecke.
    Gwyneira tat, als habe sie es nicht verstanden. Sie hatte inzwischen recht genaue Vorstellungen davon, was das Wort »Schlappschwanz«, bedeutete, konnte sich allerdings nicht erklären, woraus die Männer im Stall auf Lucas’ Versagen im Bett schlossen.

    Am Tag des Festes erstrahlte der Garten von Kiward Station in vollem Glanz. Lucas hatte Lampions kommen lassen, und die Maoris stellten Fackeln auf. Beim Empfang der Gäste reichte das Licht allerdings noch, um die Rosenrabatten, sauber geschnittenen Hecken und die verschlungenen, nach dem Vorbild klassischer englischer Gartenbaukunst angelegten Wege und Rasenstücke bewundern zu können. Gerald hatte auch einen

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