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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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statt umgekehrt?«, fragte sie irgendwann. »Du bist ziemlich schwer, weißt du ...«
    »Du bist zum Reiten geboren«, sagte James lachend. »Das habe ich immer gewusst. Versuch es mit Sitzen, dann hast du mehr Bewegungsfreiheit.«
    »Woher weißt du das eigentlich alles?«, fragte Gwyn argwöhnisch, als sie später berauscht und glücklich den Kopf an seine Schulter schmiegte und der Aufruhr in ihrem Innern allmählich verebbte.
    »Das willst du nicht wirklich wissen«, wich er aus.
    »Doch. Hast du schon mal ein Mädchen geliebt? Ich meine, so richtig von Herzen ... so sehr, dass du für sie hättest sterben wollen, wie es in den Büchern steht?« Gwyneira seufzte.
    »Nein, bis jetzt noch nicht. Wobei man von der Liebe seines Lebens auch selten etwas Diesbezügliches lernen kann. Das ist eher ein Unterricht, für den man bezahlt.«
    »Männer können sich in so was unterweisen lassen?«, wunderte sich Gwyn. Das musste der einzige Unterricht sein, den Lucas jemals geschwänzt hatte. »Und Mädchen wirft man einfach ins kalte Wasser? Im Ernst, James, niemand sagt uns, was uns erwartet.«
    James lachte. »Oh, Gwyn, du bist so unschuldig, aber du hast Sinn für das Wesentliche. Ich könnte mir vorstellen, die Lehrerstellen wären hier heiß begehrt.« In der nächsten Viertelstunde erteilte er ihr eine Lektion über käufliche Liebe. Gwyn schwankte zwischen Widerwillen und Faszination.
    »Die Mädchen verdienen jedenfalls ihr eigenes Geld«, sagte sie schließlich. »Aber ich würde darauf bestehen, dass die Freier sich vorher waschen!«

    Als im dritten Monat ihre Periode aussetzte, konnte Gwyn es kaum glauben. Natürlich hatte sie auch vorher schon Anzeichen bemerkt – ihre Brüste spannten, und sie neigte zu Heißhungerattacken, wenn nicht gerade ein Kohlgericht auf dem Tisch stand. Jetzt aber war sie ganz sicher, und ihr erster Impuls war Freude. Aber dann folgte gleich das bittere Gefühl des bevorstehenden Verlustes. Sie war schwanger, also gab es keinen Grund, ihren Gatten weiterhin zu betrügen. Auch wenn der Gedanke, James nie wieder zu berühren, nie wieder nackt neben ihm zu liegen, ihn zu küssen, ihn in sich zu spüren und beim Höhepunkt vor Lust aufzuschreien, ihr wie ein Messer ins Herz schnitt.
    Gwyneira brachte es nicht über sich, James ihr Wissen gleich zu enthüllen. Zwei Tage lang behielt sie es für sich und bewahrte James’ verstohlene, zärtliche Blicke im Alltag wie einen Schatz. Nie wieder würde er ihr jetzt geheimnisvoll zuzwinkern. Nie wieder beiläufig »Guten Tag, Miss Gwyn« oder »Aber sicher, Miss Gwyn«, murmeln, wenn sie einander in Gesellschaft trafen.
    Nie wieder würde er ihr einen raschen Kuss rauben, wenn gerade niemand hinsah, und nie wieder würde sie ihn dafür tadeln, solche Risiken einzugehen.
    Sie zögerte den Augenblick der Wahrheit immer weiter hinaus.
    Dann aber ging es nicht mehr anders. Gwyneira war eben vom Reiten zurückgekommen, als James ihr winkte und sie lächelnd in eine leere Pferdebox zog. Er wollte sie küssen, doch Gwyn entzog sich seiner Umarmung.
    »Nicht hier, James ...«
    »Aber morgen, im Ring der steinernen Krieger. Ich treibe die Mutterschafe aus. Wenn du magst, kannst du mitkommen. Ich habe Mr. Gerald gegenüber schon erwähnt, dass ich Cleo gut brauchen könnte.« Er zwinkerte ihr vielsagend zu. »Das war nicht mal gelogen. Wir überlassen ihr und Daimon die Schafe, und wir zwei spielen ein bisschen ›Überleben in der Wildnis‹.«
    »Tut mir Leid, James.« Gwyn wusste nicht, wie sie es anfangen sollte. »Aber das geht nicht mehr ...«
    James runzelte die Stirn. »Was geht nicht mehr? Hast du morgen keine Zeit? Kommt wieder ein Besucher? Mr. Gerald hat gar nichts gesagt ...«
    Gerald Warden schien sich in den letzten Monaten zunehmend einsam zu fühlen. Auf jeden Fall lud er immer häufiger Leute nach Kiward Station ein, oft Wollhändler oder betuchte Neusiedler, denen er tagsüber seine Musterfarm vorführen konnte und die abends mit ihm zechten.
    Gwyneira schüttelte den Kopf. »Nein, James, es ist nur ... Ich bin schwanger.« Jetzt war es heraus.
    »Du bist schwanger? Das ist ja wundervoll!« Spontan nahm James sie in die Arme und schwenkte sie herum. »Oh ja, du hast auch schon zugenommen«, neckte er sie. »Bald werde ich euch beide nicht mehr hochheben können.«
    Als er sah, dass sie nicht lächelte, wurde er schlagartig ernst. »Was ist, Gwyn? Freust du dich denn gar nicht?«
    »Natürlich freue ich mich«, sagte Gwyn und wurde rot.

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