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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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hatte einiges von den Schrecken verloren, die Helen George in ihrem ersten Brief geschildert hatte. Er war jetzt so weit ausgebaut, dass man ihn mit Wagen befahren konnte, und George hätte sich den beschwerlichen Fußweg leicht ersparen können. Doch nach der langen Schiffsreise sehnte er sich nach Bewegung, und irgendwie reizte es ihn auch, Helens Erfahrungen bei der Einreise nachzuvollziehen. George war zeit seines Studiums geradezu besessen gewesen von Neuseeland. Auch wenn ihn längere Zeit kein Brief von Helen erreichte, verschlang er jede verfügbare Information über das Land, um sich Helen näher zu fühlen.
    Jetzt nahm er erfrischt den Abstieg in Angriff. Vielleicht würde er Helen morgen schon sehen! Wenn er sich ein Pferd leihen konnte und die Farm so nah der Stadt lag, wie Helens Briefe vermuten ließen, sprach nichts gegen einen kleinen Höflichkeitsbesuch. Jedenfalls würde er sich bald auf den Weg nach Kiward Station machen, und das musste sich in Helens unmittelbarer Nachbarschaft befinden. Schließlich war sie mit der Herrin der Farm befreundet, Gwyneira Warden. Weiter als eine kurze Kutschfahrt konnten die Anwesen also kaum auseinander liegen.
    George brachte die Fähre über den Avon River und die letzten Meilen bis nach Christchurch hinter sich und nahm erst einmal Quartier im örtlichen Hotel. Schlicht, aber sauber – und natürlich hatte der Betreiber schon mal von den Wardens gehört.
    »Selbstverständlich. Mr. Gerald und Mr. Lucas steigen immer hier ab, wenn sie in Christchurch zu tun haben. Sehr kultivierte Herrschaften, vor allem Mr. Lucas und seine reizende Gemahlin! Mrs. Warden lässt in Christchurch ihre Kleider schneidern, deshalb sehen wir sie hier zwei-oder dreimal im Jahr.«
    Von Howard und Helen O’Keefe hatte der Hotelier dagegen noch nichts gehört. Weder waren sie bei ihm abgestiegen, noch kannte er sie aus der Kirchengemeinde.
    »Aber das ist auch gar nicht möglich, wenn sie Nachbarn der Wardens sind«, erklärte der Hotelier. »Dann gehören sie zu Haldon, und das hat neuerdings ja auch eine Kirche. Es wäre viel zu weit, um jeden Sonntag herzureiten.«
    George nahm es verwundert zur Kenntnis und erkundigte sich nach einem Mietstall. Am nächsten Tag würde er allerdings erst einmal der Union Bank of Australia einen Besuch abstatten, der ersten Bankfiliale in Christchurch.

    Der Bankdirektor war überaus höflich und erfreut über Greenwoods Pläne in Christchurch.
    »Sie sollten mit Peter Brewster reden«, riet er ihm. »Der kümmert sich bislang um den örtlichen Wollhandel. Aber wie ich hörte, zieht es ihn nach Queenstown – der Goldrausch, wissen Sie. Wobei Brewster sicher nicht selbst schürfen wird, sondern eher den Goldhandel im Sinn hat.«
    George runzelte die Stirn. »Halten Sie das für so viel lukrativer als die Wolle?«
    Der Banker zuckte die Schultern. »Wenn Sie mich fragen: Wolle wächst jedes Jahr nach. Aber wie viel Gold da oben in Otago in der Erde liegt, weiß keiner. Doch Brewster ist jung und unternehmungslustig. Außerdem hat er familiäre Gründe. Die Familie seiner Frau stammt von dort – Maoris. Und sie hat wohl Land geerbt. Auf jeden Fall dürfte er nicht böse sein, wenn Sie seine Kunden hier übernehmen. Das würde Ihre Geschäftsgründung sehr vereinfachen.«
    George konnte ihm nur zustimmen und dankte für den Hinweis. Außerdem nutzte er die Gelegenheit, sich beiläufig nach den Wardens und den O’Keefes zu erkundigen. Über die Wardens war der Direktor natürlich des Lobes voll.
    »Der alte Warden ist ein Haudegen, aber er versteht was von Schafzucht! Der Junge ist mehr ein Schöngeist, der hat es nicht mit der Farm. Deshalb hofft der Alte auf einen Enkel, der besser einschlägt, bislang aber vergebens. Dabei ist die junge Frau bildschön. Ein Jammer, dass sie sich mit dem Kinderkriegen offensichtlich schwer tut. Bisher nur ein einziges Mädchen in fast sechs Jahren Ehe ... Nun ja, sie sind jung, da ist sicher noch Hoffnung. Tja, und die O’Keefes ...« Der Bankdirektor rang sichtlich um Worte. »Was soll ich da sagen? Das Bankgeheimnis, Sie verstehen ...«
    George verstand. Howard O’Keefe war kein allzu geschätzter Kunde. Wahrscheinlich hatte er Schulden. Und die Farmen lagen zwei Tagesritte von Christchurch entfernt, Helen hatte in ihren Briefen vom Stadtleben also gelogen – oder zumindest stark übertrieben. Haldon, die nächste größere Ansiedlung bei Kiward Station, war kaum mehr als ein Dorf. Was mochte sie noch verschweigen

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