Im Land Der Weissen Wolke
unter dem Arm des Fremden strampelte wie ein ungebärdiger Welpe. Seine Schwester kicherte schadenfroh.
»Drei Aufgaben, junger Mann, dann lasse ich dich los«, bemerkte George.
Robert jammerte zustimmend, worauf George ihn absetzte. Die Lehrerin nahm ihn sofort am Kragen und drückte ihn auf die nächstbeste Parkbank.
»Vielen Dank«, sagte sie mit züchtig niedergeschlagenen Augen. »Ich hatte mir Sorgen gemacht. Er ist oft unartig ...«
George nickte ihr zu und wollte schon weitergehen, doch irgendetwas hielt ihn zurück. So suchte er sich ebenfalls eine Bank, nicht weit weg von der Lehrerin, die ihren Zögling jetzt zur Ruhe zwang. Während sie ihn auf der Bank festhielt, versuchte sie, ihm wenn schon nicht die Lösung, so doch immerhin eine Antwort auf eine Rechenaufgabe zu entlocken.
»Zwei und drei – wie viel ist das, Robert? Wir haben es mit Bauklötzchen gestellt, weißt du noch?«
»Weiß ich nich’. Falten wir jetzt das Boot?« Robert zappelte.
»Nach dem Rechnen. Schau, Robert, hier sind drei Blätter. Und hier noch mal zwei. Wie viele sind das?«
Der Junge hätte nur zählen müssen. Doch er war aufsässig und zeigte kein Interesse. George sah wieder William vor sich.
Die junge Lehrerin blieb geduldig. »Zähl einfach, Robert.«
Der Junge zählte widerwillig. »Eins, zwei, drei, vier ... vier, Missy.«
Die Lehrerin seufzte, desgleichen die kleine Nancy.
»Zähl noch mal, Robert.«
Das Kind war unwillig und dumm. Georges Mitgefühl mit der Lehrerin wuchs mit jeder Aufgabe, zu deren Lösung sie sich mühsam vortasten musste. Sicher war es nicht leicht, freundlich zu bleiben, aber die junge Frau lächelte stoisch, während Robert immer wieder »Boot falten, Boot falten!«, rief. Sie gab erst auf, als der Junge die dritte und einfachste Aufgabe endlich richtig löste. Zum Falten von Papierschiffchen zeigte sie allerdings weder Geduld noch Geschick. Das Modell, mit dem Robert schließlich zufrieden abzog, wirkte nicht sehr seetüchtig. Entsprechend schnell war der Kleine denn auch wieder da und unterbrach die anschließende Rechenstunde mit Nancy. Seine Schwester reagierte unwillig. Das kleine Mädchen war gut im Rechnen, und im Unterschied zu ihrer Lehrerin schien sie sich auch ihres Zuhörers bewusst zu sein. Immer wenn sie die Lösung einer Aufgabe wie aus der Pistole geschossen nannte, warf sie George triumphierende Blicke zu. George konzentrierte sich dagegen eher auf die junge Lehrerin. Sie stellte ihre Aufgaben mit leiser, heller Stimme, wobei sie das S ein wenig gekünstelt aussprach – wie eine Angehörige der englischen Oberschicht oder wie ein Mädchen, das als Kind gelispelt hatte und seine Sprache nun bewusst kontrollierte. George fand es reizend; er hätte ihr endlos zuhören können. Aber jetzt raubte Robert ihr und seiner Schwester wieder die Ruhe. George wusste genau, wie das kleine Mädchen sich fühlte. Und in den Augen der Lehrerin las er die gleiche, unterdrückte Ungeduld wie damals bei Helen.
»Es ist untergegangen, Missy! Mach ein neues!«, forderte Robert und schleuderte der Lehrerin sein nasses Boot in den Schoß.
George beschloss, sich noch einmal einzumischen.
»Komm her, ich weiß, wie’s geht«, forderte er Robert auf. »Ich zeig dir, wie man es faltet, dann kannst du es allein.«
»Aber Sie brauchen doch nicht ...« Die junge Frau warf ihm einen hilflosen Blick zu. »Robert, du bist dem Herrn lästig«, sagte sie streng.
»Aber nein«, meinte George mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Im Gegenteil. Ich falte gern Schiffchen. Und ich habe es seit fast zehn Jahren nicht mehr gemacht. Wird Zeit, dass ich’s mal wieder versuche, sonst roste ich ein.«
Während die junge Frau mit Nancy weiterrechnete und George gelegentlich verstohlene Blicke zuwarf, faltete er das Papier rasch zu einem Bötchen. Er versuchte, Robert zu erklären, wie man es machte, doch der Junge interessierte sich nur für das fertige Produkt.
»Komm mit, wir lassen es schwimmen!«, forderte er George dann immerhin auf. »Im Fluss!«
»Auf keinen Fall im Fluss!« Die Lehrerin sprang auf. Obwohl sie Nancy damit sicherlich brüskierte, war sie offenbar bereit, Robert zum »See« zu begleiten, wenn er sich nur nicht wieder in Gefahr begab. George ging neben ihr und bewunderte ihre leichten, anmutigen Bewegungen. Dieses Mädchen war keine Landpomeranze wie ein paar von den Mädels, die gestern im White Hart getanzt hatten. Sie war eine kleine Lady.
»Der Junge ist schwierig, nicht
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