Im Land Der Weissen Wolke
einander vorstellt. Aber bis dahin hat Sie womöglich schon jemand anders geheiratet, und ich regle meine Angelegenheiten auch ungern über sieben Ecken. Also, wenn Sie den Rest Ihres Lebens nicht damit verbringen wollen, sich mit Kindern wie Robert herumzuärgern, dann hören Sie mir zu: Sie haben genau das, was ich suche, und Sie sind eine schöne Frau, anziehend und gebildet, mit einem Haus in Christchurch ...«
Drei Monate später heiratete George Greenwood Elizabeth Godewind. Die Eltern des Bräutigams waren nicht anwesend, Robert Greenwood hatte aufgrund geschäftlicher Verpflichtungen auf die Reise verzichten müssen, doch er übermittelte dem Paar seinen Segen und alle guten Wünsche und überschrieb George als Hochzeitsgeschenk sämtliche Tochterfirmen in Neuseeland und Australien. Mrs. Greenwood erzählte all ihren Freundinnen, ihr Sohn habe eine schwedische Kapitänstochter geheiratet und flocht Andeutungen über eine Verwandtschaft mit dem schwedischen Königshaus ein. Sie sollte nie erfahren, dass Elizabeth tatsächlich in Queens geboren und von ihrem eigenen Waisenhauskomitee in die neue Welt verbannt worden war. Der jungen Braut war ihre Herkunft aber auch in keiner Weise anzumerken. Sie sah hinreißend aus in ihrem Kleid aus weißer Spitze, dessen Schleppe Nancy und Robert brav hinter ihr hertrugen. Helen beobachtete den Jungen dabei mit Argusaugen, und George konnte sicher sein, dass er keine Unbotmäßigkeit wagte. Da George sich inzwischen als Wollhändler einen Namen gemacht und Mrs. Godewind als Stütze der Gemeinde gegolten hatte, ließ der Bischof es sich nicht nehmen, das Paar selbst zu trauen. Anschließend wurde die Hochzeit im Salon des White Hart Hotel in großem Stil gefeiert, wobei Gerald Warden und Howard O’Keefe sich in entgegengesetzten Ecken des Saales betranken. Helen und Gwyneira ließen sich davon nicht stören und setzten allen Spannungen zum Trotz durch, dass Ruben und Fleur gemeinschaftlich Blumen streuten. Gerald Warden schien dabei zum ersten Mal bewusst zu werden, dass Howard O’Keefes Ehe mit einem wohlgeratenen Sohn gesegnet war, was seine Laune weiter verschlechterte. Für die jämmerliche O’Keefe-Farm gab es also einen Erben! Gwyneira aber war nach wie vor schlank wie eine Weidenrute. Gerald versank tief in der Whiskeyflasche, und Lucas, der seine Miene beobachtete, war froh, sich mit Gwyneira in ihr Hotelzimmer zurückziehen zu können, bevor die Wut seines Vaters sich wieder einmal lautstark entlud. In der Nacht versuchte er erneut, Gwyneira näher zu kommen, und wie immer zeigte sie sich willig und tat ihr Bestes, ihn zu ermutigen. Doch Lucas versagte wieder einmal.
5
Es hatte lange gedauert, bevor James McKenzies und Gwyneiras Verhältnis sich nach Georges Besuch wieder normalisierte. Gwyn war wütend, James brüskiert. Vor allem aber war beiden erneut klar geworden, dass nichts wirklich vorbei war. Gwyn blutete immer noch das Herz, wenn sie sah, wie verzweifelt James ihr nachblickte, und James konnte es nicht ertragen, sich Gwyneira in den Armen eines anderen vorzustellen. Doch eine Neuauflage ihrer Beziehung war unvorstellbar – Gwyn wusste, dass sie James nie wieder loslassen würde, wenn sie ihn noch einmal berührte.
Andererseits wurde das Leben auf Kiward Station allmählich unerträglich. Gerald betrank sich jeden Tag und ließ Lucas und Gwyn keine ruhige Minute. Selbst wenn Gäste zugegen waren, mussten die beiden jetzt mit seinen Attacken rechnen. Gwyneira war inzwischen so verzweifelt, dass sie es wagte, Lucas auf seine sexuellen Schwierigkeiten anzusprechen.
»Schau, Liebster«, sagte sie eines Abends mit leiser Stimme, als Lucas wieder neben ihr lag, erschöpft von seinen Bemühungen und krank vor Scham. Gwyneira hatte schüchtern vorgeschlagen, ihn zu erregen, indem sie sein Geschlechtsteil berührte – so ziemlich das Unschicklichste, das eine Lady und ein Gentleman zusammen tun konnten, doch Gwyneiras Erfahrungen mit James waren in dieser Hinsicht vielversprechend. Lucas jedoch zeigte kaum eine Regung, selbst wenn sie seine glatte, zarte Haut streichelte und sanft massierte. Hier musste etwas geschehen. Gwyneira beschloss, an Lucas’ Fantasie zu appellieren. »Wenn ich dir nicht gefalle ... wegen meiner roten Haare oder weil du eher auf füllige Frauen stehst ... warum stellst du dir nicht einfach eine andere vor? Ich wäre dir nicht böse.«
Lucas küsste sie sanft auf die Wange. »Du bist so lieb«, seufzte er. »So verständnisvoll.
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