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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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zanken. Dabei war die Stunde vor dem gemeinsamen Abendessen deutlich die gefährlichste. Wenn erst mal serviert wurde, war Geralds Alkoholpegel gewöhnlich auf einem Stand, der keine größeren Ausbrüche mehr möglich machte.
    Paul überschlug kurz seine Möglichkeiten. Wenn er jetzt gleich mit der Neuigkeit zu Gerald ging, würde der zwar explodieren – doch in Abwesenheit des »Opfers« hatte das keine große Wirkung. Es wäre deutlich besser, Fleur von Angesicht zu Angesicht zu verpfeifen; dann war die Chance auch größer, dass er, Paul, jede Kleinigkeit der nachfolgenden Auseinandersetzung mitbekam. Außerdem hatte seine Mutter Recht: Wenn Gerald wirklich schlecht gelaunt war, ließ er ihn vielleicht gar nicht erst dazu kommen, seine Neuigkeiten loszuwerden, sondern entlud seinen Zorn gleich auf Paul.
    Der Junge entschied sich deshalb tatsächlich dafür, zunächst in sein Zimmer zu gehen. Er würde ordentlich gekleidet zum Essen erscheinen, während Fleur garantiert zu spät kam – und dann auch noch in Reitzeug. Dann würde er sie zuerst ihre Entschuldigung stammeln und anschließend die Bombe platzen lassen! Selbstzufrieden stieg Paul die Treppe hinauf. Er bewohnte das frühere Zimmer seines Vaters, das heute nicht mehr mit Zeichenutensilien und Büchern, sondern mit Spielzeug und Angelzeug voll gestopft war. Der Junge zog sich sorgfältig um. Er war voller Vorfreude.

    Fleurette hatte nicht zu viel versprochen. Ihre Hündin Gracie sammelte die versprengten Schafe tatsächlich blitzschnell ein, als Ruben und das Mädchen sie erst gefunden hatten. Aber auch das erwies sich nicht als schwierig. Die jungen Widder strebten ins Hochland, zu den Weidegründen der Mutterschafe. Flankiert von Gracie und Minette wandten sie sich jedoch bereitwillig zurück Richtung Farm. Gracie verstand keinen Spaß und trieb Ausbrecher rasch wieder zur Herde. Zudem war die Gruppe klein und übersichtlich. So konnte Fleurette das Gatter des Paddocks lange vor Dunkelwerden hinter den Tieren schließen – und vor allem lange bevor Howard aus dem Vorwerk zurückkam, wo er sich um seine letzten Rinder kümmerte. Die Tiere sollten nun endlich verkauft werden, nachdem Howard sich gegen George Greenwoods Rat endlos an die Rinderzucht als zweites Standbein geklammert hatte. O’Keefe Station bot kein geeignetes Land für Rinder; hier konnten nur Schafe und Ziegen gedeihen.
    Fleurette sah nach dem Stand der Sonne. Es war noch nicht spät, aber wenn sie Ruben jetzt tatsächlich wie versprochen bei der Zaunreparatur half, kam sie nicht rechtzeitig zum Abendessen. Nun war das weiter nicht schlimm – ihr Großvater verzog sich nach der Mahlzeit meist bald mit einem letzten Whiskey in seine Räume, und ihre Mutter und Kiri würden ihr sicher noch etwas zu essen aufbewahren. Doch Fleur hasste es, dem Personal mehr Arbeit zu machen als nötig. Außerdem lag ihr nichts daran, womöglich noch Howard in die Arme zu laufen und dann – Gipfel des Schreckens! – mitten während der Abendmahlzeit zu Hause hereinzuplatzen. Andererseits konnte sie Ruben mit dem Zaun kaum allein lassen. Dann waren die Widder am nächsten Tag garantiert wieder im Hochland.
    Zu Fleurettes Erleichterung näherte sich jetzt Rubens Mutter – mit ihrem braven Maultier, das sie bereits mit Werkzeug und Zaunmaterial beladen hatte.
    Helen zwinkerte ihr zu. »Reite ruhig nach Hause, Fleur, wir machen das hier schon«, sagte sie freundlich. »Es war sehr nett, dass du Ruben geholfen hast, die Schafe zurückzubringen. Da hast du es wirklich nicht verdient, zu Hause noch Ärger zu bekommen. Und den bekommst du sicher, wenn du zu spät heimkehrst.«
    Fleurette nickte dankbar. »Ich komm dann morgen wieder zur Schule, Miss Helen!«, erklärte sie. Ein Vorwand, den sie immer noch gebrauchte, um Ruben täglich nahe zu sein. An sich hatte Fleurette die Schule so ziemlich abgeschlossen. Sie konnte gut rechnen, lesen und schreiben, hatte die wichtigsten Klassiker zumindest im Ansatz gelesen, allerdings nicht in der Originalsprache wie Ruben. Fleur hielt Griechisch-und Lateinkenntnisse für absolut überflüssig. Insofern gab es kaum noch etwas, das Helen ihr beibringen konnte. Allerdings hatte Gwyneira nach Lucas’ Tod viele seiner Botanik-und Zoologielehrbücher in Helens Schule schaffen lassen. Fleur schmökerte mit Interesse darin, während Ruben sich seinen weiterführenden Studien widmete. Im nächsten Jahr würde er nach Dunedin gehen müssen, wenn er wirklich studieren wollte.

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